Point 'n' Click
: Nomadische Gimmicks

■ Techno-Salon: Generationsdokumentation „Arosa 2000“

Dies ist Frankfurt, nicht Haight Ashbury! könnte der Untertitel von Arosa 2000 lauten. Vor kurzem hatte die Hippie- Doku „Haight Ashbury in The Sixties“ der Technogeneration die wilden Jahre im Herzen von Flower Power nahezubringen versucht. Das war keine schlechte Idee: Eigentlich als Speichermedium für stetig wachsende Datenberge konzipiert, landen immer mehr CD-ROMs als Träger multimedialer Geschichtsschreibung auf dem Markt.

Arosa 2000 sieht auf den ersten Blick aus wie eine handelsübliche Techno-CD. Tatsächlich verbirgt sich auf ihr aber eine ähnlich gelagerte Dokumentation – auch wenn die Ereignisse, auf die sie sich bezieht, gerade mal ein halbes Jahr vom Hier und Jetzt entfernt sind. Wo sich früher epochale kulturelle Umstürze inszenieren ließen, herrscht heute das Gesetz beschleunigten Trendumschlags.

Daß dem zum Trotz hier eine Generation sich und die eigene Geschichte stilisiert, wird schon klar, wenn sich nach dem Einschieben der CD die Arosa- Icons auf dem Schreibtisch manifestieren. Die Bonusanwendung „Arosa Man 2000“ erinnert an PacMan, das Videogame-Urerlebnis, dem man Stunden in Spielhallen opferte. „Arosa Killers 2000“ bringt das Wesen von Entertainmentsoftware auf den Punkt, es ist die rudimentärste Form eines Ballerspiels, die man sich denken kann.

Nach dem Start der eigentlichen Anwendung begrüßen kreischende Mädchen den User, gefolgt von einer Ansagerin, die direkt aus einer Viva-Nachmittagssendung gefallen sein könnte. Sie nimmt den Rest der handelnden Personen vorweg, die von jetzt an aussehen, als seien sie 22 und kauften ihre Klamotten wahlweise bei H+M oder auf dem Flohmarkt.

Wer Chromapark kennt, den Berliner Versuch, die Technoparty der frühen Neunziger zum Technokunstspielplatz für die langsam erwachsen werdenden Raver hin zu verlängern, erwartet jetzt eigentlich nicht mehr als eine bunte Oberfläche: Chromapark, so hat sich herausgestellt, findet eigentlich nur auf dem Flyer statt, der ihn ankündigt.

Wie erwartet entspricht das Arosa-Interface dann auch den noch neuen ästhetischen Regeln des digitalen Publizierens, professionelles Design herrscht vor: Ungebrochen linear denkenden Menschen wird mittels einer Zeittafel das Navigieren leichtgemacht, für den Rest flimmern Icons und die Titel der 22 Veranstaltungen über den Schirm, die von Sommer 1994 bis Herbst 1995 in den Frankurter Arosa Gardens stattfanden.

Zwischen Zeil und Börse, am Rand des dreispurigen Cityrings wurde das „nomadische Schaufenster“ installiert. Mal verbergen sich Schaumgummimöbel darin, die beim Draufsetzen zusammenknautschen, mal comichafte Zeichnungen und ganz am Anfang Nececity, ein Ensemble von Waren, auf die die Welt schon lange gewartet hat. Dabei überraschen einzelne Segmente des digitalen Arosa immer wieder. Auf den Ausstellungsfotos zu Ovals „Wohnton“ verhält sich die Maus wie eine Kompaßnadel, die sich an unsichtbaren elektromagnetischen Feldern ausrichtet, an anderer Stelle finden sich Prototypen neuer multimedialer Anwendungen.

Auf Arosa geht man ironisch mit dem Leben in der Einkaufspassage um und nimmt avantgardistische Experimente aus den Sechzigern mit den zugehörigen technischen Artefakten und deren Design, utopischen Architekturen, Sounds und die Community-Idee wieder auf.

Irgendwann erscheint auch Bazon Brock, der von seinen Erfahrungen mit dem Besetzen von Territorien berichtet. Anfang der Sechziger richtete er eine Beratungsstelle ein, in der Leute Dinge loswerden konnten. Er bot auch Gymnastik gegen das Habenwollen an. Solche Verweise auf technische und soziale Utopien der Vergangenheit ziehen sich durch das gesamte Programm und entsprechen damit ziemlich genau dem aktuellen popkulturellen State of the Art.

Arosa 2000 setzt auch im Internet Standards auf dem Gebiet multimedialen Designs, manch superteure Produktion der großen Verlage sieht dagegen mehr als alt aus. Am Ende kann man sich natürlich fragen, wie weit Arosa als Ereignis und CD- ROM mit seinen Gimmicks und den wiederkehrenden Partyvideos wirklich von MTV und dem Technoladen um die Ecke entfernt ist. Während die Freunde der „Elektronik Boutique“ aber von ihrer Rolle als Konsumenten wissen, sind die Protagonisten von Flower Power immer noch mit der Mythologisierung ihrer Geschichte beschäftigt, anstatt sich zur Abwechslung mal als die Urzielgruppe des Markts der unter 25jährigen zu begreifen. Ulrich Gutmair

CD-ROM „Arosa 2000“. Über: Arosa 2000, Hochstraße 14,

60315 Frankfurt,

Tel.: 069/843268 oder über Internet, Homepage http://www-cui . darmstadt.gmd.de/arosa/