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Das schöpferische Kapital

Die Deutsche Bank hat sich gesundgeschrumpft. Auf der Hauptversammlung stellen die Kritischen Aktionäre Anträge, Geldgeschäfte künftig nach ethischen Kriterien zu tätigen  ■ Aus Frankfurt Heide Platen

Im Eingang zur Festhalle auf dem Frankfurter Messegelände werden die Metallsuchschleusen immer wieder abgestellt, wenn eineR der 4.000 AktionärInnen mit HerzschrittmacherInnen passieren will. Drinnen stellt Aufsichtsrat Wilhelm Christians der Hauptversammlung das neue Vorstandsmitglied der Deutschen Bank vor: Michael Dobson aus den USA, 44 Jahre alt. „Er wird den Altersdurchschnitt ganz erheblich senken.“ Dobson lächelt unterkühlt, in der Halle unter der hohen Kuppel ist es auch nicht gerade warm.

Bei Vorstandssprecher Hilmar Kopper ist von „Peanuts“ in diesem Jahr keine Rede. Schwergewichtig, ernstgesichtig schreitet er zum Podium, keine Scherze diesmal. Seine fast einstündige Rede gerät bedeutungsschwanger: „Eins hängt am anderen, und ein Narr ist, wer nicht das Ganze in den Blick nimmt.“ Oder auch: „Nichts kommt von selbst.“ Und: „Auch Kapital muß schöpferisch sein.“

Das der Deutschen Bank schöpfte 1995 einen Gewinn von 2,1 Milliarden Mark. Die Bilanzsumme kletterte um 22 Prozent auf 722 Milliarden Mark: „Damit verzeichnen wir den größten Zuwachs in einem einzigen Geschäftsjahr.“ Daß die Arbeitsplätze im selben Jahr noch einmal um 5,5 Prozent gesunken sind – 2.400 Stellen wurden eingespart – und dieser Prozeß weitergeht, sah er als Teil der notwendigen Umstrukturierung der Bank zu einem zunehmend internationalen Konzern. Auch die ersten vier Monate dieses Jahres, so Kopper, „geben Grund zur Zuversicht“. Der Gewinn sei, gemessen am schwachen Vorjahr, um 32 Prozent gestiegen.

Gesondert nahm der Vorstandssprecher zu den zwölf Erweiterungsanträgen zur Satzungsänderung Stellung, die der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre für die Tagesordnung erzwungen hatte. Er forderte die Versammlung auf, sie „sämtlich abzulehnen“. Der Kölner Verband hatte mit dem ererbten Aktienpaket eines Darmstädter Millionärs den für die Aufstellung eigener Tagesordnungspunkte erforderlichen Stimmenanteil erhalten. Koppers Erwiderung auf die Anträge der OpponentInnen: Ethische Kriterien für die Geldgeschäfte der Deutschen Bank seien ohnehin in den Kreditgrundsätzen festgelegt. Der Verband hatte gefordert, daß die Bank künftig aus allen Atomgeschäften, aus Waffen- und Giftproduktion und aus der Gentechnik aussteigt, Diktaturen und Ausbeutung in der Dritten Welt nicht unterstützt. Er verlangte außerdem die Haftung für durch Bankgeschäfte und Firmenprodukte Geschädigte, die Frauenquote, die Einhaltung mindestens der gesetzlich vorgeschriebenen Quote zur Einstellung Behinderter und die Begrenzung der Ämterhäufung bei Aufsichtsratmitgliedern. Die Frauenquote, beschied Kopper den Verband, sei in ihrem eigenen Vorstand auch nicht erreicht.

Diejenigen der 22 auf der Redeliste stehenden Aktionäre, die bis zum Mittag zu Wort kamen, verlangten jedoch vor allem zu wissen, wann und wie sie endlich mit mehr als 1,80 Mark Dividende in diesem Jahr pro Aktie an den steigenden Gewinnen partizipieren werden. Außerdem geißelten sie interne Selbstbedienungsmanier und Aktionärs-, Kunden- und Mittelstandsfeindlichkeit. Kopper versprach geduldig mehr Flexibilität und Kundennähe und hob außerdem immer wieder das Engagement der Deutschen Bank für den Umweltschutz hervor.

Am Morgen erst hatten die Meldungen über Betrügereien bei Klöckner Humboldt Deutz, für betroffene Gesichter der Aktionäre gesorgt. Erst Anfang 1995 hatte die Deutsche Bank der HDW mit einem umfangreichen Sanierungskonzept aus der Krise geholfen. Vor allem für die AktionärInnen, die in Windjacke und Strickweste angereist waren, war das heftiger Diskussionsgegenstand. Die Kleinaktionäre im Pensionsalter drängten sich vor allem an den Büfetts im weiträumigen ersten Stock der Halle 1. Sie häuften Berge von Nudeln und Geschnetzeltem auf und murrten über die Amoralität des Geschäfts.

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