: In China Straßen fegen
■ Satirischer Gegen-Festakt an der TU deutete Sparmaßnahmen als Beitrag zur globalen Gerechtigkeit. Astrid Albrecht-Heide: Kürzungen sind Abspaltung der "Weichteile"
Draußen absolvierten TU-Studierende noch ihren 24-Stunden- Wettlauf gegen Bildungs- und Sozialkürzungen rund um den Ernst- Reuter-Platz, drinnen feierten sie bereits die kommende Niederlage als „Beitrag der TU zur globalen Gerechtigkeit“. Unter diesem Motto stand ein vorwiegend weiblich besuchter „Akademischer Festakt II“, organisiert von der TU-Frauenbeauftragten und so betitelt in Anlehnung an die Feierlichkeit zum 50. Jahrestag der TU.
Erziehungsprofessorin Regine Reichwein begrüßte aufs schärfste „die Initiative von Bundesregierung und Senat, globale Gerechtigkeit durch Sparmaßnahmen zu erreichen“. „Warum“, so frage sie sich, „soll unsere Jugend nicht in China Straßen fegen, in Korea Kranke pflegen und in Afrika auf den Feldern arbeiten?“ Die Sozialpädagogin Andrea Schmidt begeisterte sich, in einer Hochschule ohne Studenten könne „der radikale wissenschaftliche Selbstbezug enorm gesteigert werden“.
Auch die Frauenbeauftragte Heidi Degethoff de Campos entdeckte Positives daran, daß die TU durch die Streichung der Geisteswissenschaften „in naher Zukunft die Hälfte ihrer lehrenden und studierenden Frauen verliert“. Der männliche Forscherdrang werde nicht länger durch weibliche Körper abgelenkt, umgekehrt könnten die Frauen sich endlich „der emotionalen und sexuellen Versorgung“ der angehenden Akademiker widmen. Erziehungswissenschaftlerin Jutta Hartmann lobte die Streichung der Lehrerausbildung: „70 bis 90 Schüler in einem Klassenraum, da wird nicht mehr diskutiert, da wird wieder auf Ehrenwort gelaubt.“ Und Psychologieprofessorin Christine Holzkamp sah voraus, daß die neue TU- Mehrheit der Naturwissenschaftler die bundesweit einmalige Selbstverpflichtung einer Uni, sich nicht an Rüstungsforschung zu beteiligen, endlich kippen werde: Ein Beitrag zur „Selbstvernichtung unserer Dominanzkultur“, wenn „wir unsere Waffen im eigenen Land gegen uns selber richten“.
Spätestens hier gefror das Lachen, und noch kälter wurde vielen bei dem Festvortrag der Erziehungsprofessorin Astrid Albrecht- Heide. Akut bedroht von Streichungen seien unter anderem die Arbeitsstelle Dritte Welt, das Forschungsprojekt Eurozentrismus und Rassismus in der Lehre, die Arbeitsstelle für Integrationspädagogik, die Gedenkstättenpädagogik, die Umwelterziehung. Also alles, was die Ausbeutung von Mensch und Natur noch in Frage stellt. Da sei viel mehr am Werke als nur ein Sparwille, konstatierte sie, da würden „die Weichteile dieser Hochschule“ abgespalten: „Gefühle, Mitleid, Zweifel.“ Ute Scheub
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen