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Bündnisgrüne Querelen in Bayern

■ Die Grünen im Münchener Landtag wursteln nur noch so vor sich hin, meinen Kritiker aus den eigenen Reihen

München (taz) – Manche in seiner Fraktion, so klagt der bündnisgrüne bayerische Landtagsabgeordnete Raimund Kamm, hätten längst innerlich gekündigt. „Zusammenarbeit bei wichtigen Themen findet nicht mehr statt, weil jeder in seinem Spezialbereich vor sich hinwurstelt.“ Es fehle ein politisches Konzept, wie man der bayerischen Staatsregierung entgegentreten will: „Da stellt die CSU mit Thomas Goppel zum Beispiel einen lächerlichen Umweltminister, und wir schaffen es nicht, einen Gegenspieler zu dieser schwachen Figur aufzubauen.“ Auch der Abgeordnete Christian Magerl vermißt eine gemeinsame grüne Linie bei den wichtigen Themen: „Was haben wir denn in Sachen Arbeitslosigkeit und Wirtschaftspolitik zu bieten? Eigentlich nichts“, lautet sein Fazit. Ändert sich daran nicht bald etwas, könnten die Grünen bei der Wahl in zwei Jahren sogar aus dem Landtag fliegen, fürchtet Magerl. Und Kamm verweist darauf, daß die bayerischen Grünen seit 1986 von Wahl zu Wahl schlechter abschneiden: „Wir können nur hoffen, daß uns das positive Image der Bundestagsfraktion vor dem Aus bewahrt.“

Beide, Kamm und Magerl, gehören in der 14köpfigen bayerischen Landtagsfraktion noch zu einer skeptischen Minderheit. Doch die Kritik aus den eigenen Reihen wird lauter. So beschweren sich immer mehr Fraktionsmitarbeiter über die fehlende Linie: „Die typische Arbeitsweise ist, daß man morgens in die Zeitung schaut und ein Thema für eine Anfrage sucht“, sagt ein Mitarbeiter. „Und so macht dann jeder irgendwas – ohne Konzept.“ Der Hauptadressat dieser Kritik ist Manfred Fleischer, der amtierende grüne Fraktionschef. Ihm gelinge es nicht, Perspektiven zu entwickeln und integrierend zu wirken, sagen mehrere Mitarbeiter. Statt dessen sei er damit beschäftigt, sich durch Intrigen die Unterstützung der Fraktionsmehrheit zu sichern. Wer sich dem entgegenstellt, wird entweder „gezielt gemobbt“, wie eine Fraktionsassistentin beklagt, oder, wie der langjährige Mitarbeiter Eberhard Petri, gleich gekündigt. Petri hatte es gewagt, die perspektivlose Arbeitsweise der Fraktion intern zu kritisieren. Als Quittung wurde ihm die Verlängerung seines Arbeitsvertrages verweigert. „Würde so was bei der katholischen Kirche passieren, würde jeder Grüne sofort eine Soli-Erklärung unterschreiben“, meint Kamm.

Doch Fraktionschef Fleischer will derartige Kritik aus den eigenen Reihen nicht hören: „Der politische Ablauf ist in keiner Weise gestört“, sagt er, die Arbeit der bündnisgrünen Abgeordneten funktioniere „reibungslos“.

Die Mehrheit der bayerischen Grünen sieht das ähnlich. Wenn es Probleme gebe, liege das am enormen Arbeitspensum, findet Tessy Lödermann: „Da bleibt nicht viel Zeit, um große Politikentwürfe zu machen.“ Und Emma Kellner meint: „Bei uns hat jeder die Möglichkeit, seine Themen zu verfolgen. In vielen Bereichen – zum Beispiel beim Garchinger Atomreaktor – klappt das auch.“

Die Diskussion zwischen beiden Lagern ist inzwischen fast unmöglich, was wohl auch daran liegt, daß bei Kamm und Magerl der Teamgeist nicht sonderlich ausgeprägt ist. So pöbelte Magerl vor einigen Tagen seine Kollegin Irene Sturm an, sie solle lieber ihre diversen merkwürdigen Anträge im Landtag erläutern, statt „im Wendland vor dem Castor herumzurobben“. Und bei Raimund Kamm vermissen viele Abgeordnete nicht nur die Teamarbeit, sondern überhaupt die Arbeit: „Daß wir in der Wirtschaftspolitik schlecht dastehen, hat er zu verantworten – denn das wäre sein Gebiet“, wirft im Lödermann vor.

Daß der Konflikt in dieser Legislaturperiode noch gelöst werden könnte, glaubt niemand mehr. „Aber vielleicht genügen ein bis zwei neue Abgeordnete im nächsten Landtag, um einen anderen Stil reinzutragen“, hofft ein Parlamentarier. Felix Berth

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