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Die Erweiterung der Einbildungskraft

Wenig annoncieren, eingängig formulieren und dabei noch allerlei Fragen stellen: „Kunst im Anschlag“, eine Ausstellung mit 200 Künstlerplakaten aus den letzten 50 Jahren im Kölner Museum für Angewandte Kunst  ■ Von Christiane Meixner

Walter Nikkels, Professor für Typographie und Buchkunst in Düsseldorf, meidet die Gestaltung von Plakaten: „Der laute Klang in der Öffentlichkeit – ich weiß nicht genau, ob das meine persönliche Musik ist.“ Seine Komposition zum „Bilderstreit“ (1989) hängt derweil im Kölner Museum für Angewandte Kunst. Für Nikkels ein „Nebenprodukt der Kataloggestaltung“, ist jener Entwurf mit allen Zeichen ausgestattet, die einen Künstler zum Widerspruch reizen: zwei eingeklemmte Gemälde, umrahmt von Text, Farbfeld und einem Titel, der gegen die Bilder arbeitet und um die visuelle Herrschaft buhlt. Die über Kreuz gesetzten Begriffe „Bilder“ und „Streit“ scheinen das Plakat durchzustreichen.

Insgesamt hat das rheinische Haus rund 200 künstlerische Plakate als Exempel der letzten 50 Jahre im Bereich Graphik aus seinen Beständen zum momentanen Querschnitt „Kunst im Anschlag“ zusammengestellt; davor war 30 Jahre lang kein Blick auf die umfassende Sammlung möglich. Der sehenswerte Bruchteil belegt indes, was man angesichts der bunten Anschläge an Litfaßsäulen und Billboards bereits vermutete: Richtig spannend wird es dort, wo die Künstler das eigenwillige Medium nach individuellem Konzept gestalten. Der Rest ist gut gemachte Typographie, die eingängig formuliert, wer wann wo ausstellt. So funktioniert die öffentliche Bekanntmachung der 50er und 60er Jahre, die die Fläche übersichtlich mit Motiv und Schrift ausstattet und auf das jeweilige Ereignis rekurriert – auf Ausstellungen von Picasso, Carl Hofer, Grieshaber oder Jean Dubuffet. Eine Ausnahme sind die Ideen des Malers und graphischen Designers Almir Mavignier, dessen Plakate wenig annoncieren und um so mehr den Gegenstand selbst in Frage stellen.

1968 stolpert man über eine Fotografie Arnulf Rainers, der die typischen Übermalungen seiner Bilder auf dem eigenen Gesicht trägt. Doch erst mit Klaus Staeck, dessen Affiche zum „Projekt '74“ einen staatlich bodenwärts geprügelten Günter Wallraff mit der Zeile „Die Kunst der 70er Jahre findet nicht im Saale statt“ kombiniert, kommt politische Aussagekraft ins Spiel – der Anschlag als öffentliches Medium, mit dem es sich provozieren und agieren läßt.

So verläßt das Künstlerplakat sukzessive den Hort gepflegter Ankündigung (vorzugsweise musealer Ausstellungen) und stößt als verwirrende Botschaft ins Alltagsterrain der Reklametafeln vor. Die Strategien sind vielfältig: Während Joseph Beuys auf seiner Ankündigung zur Überblicksschau „von hier aus“ (Düsseldorf, 1984) reichlich Platz zur freien Kommentierung läßt, entlarvt Barbara Kruger (1989) den Blick auf das abgebildete Motiv mit Hilfe ihrer Texte. Bei Lawrence Weiner (1991) sind Bild und Typographie vor hellem Grund in ästhetischer Auflösung begriffen, während Martin Kippenberger (1986) seine pöbelnden Offerten an jenem Schema ausrichtet, das auch seine Kunst beherrscht: Bilder, Begriffe und Sätze werden wie zufällig miteinander kombiniert und sind bloß assoziativ zu dechiffrieren. Hier fokussiert das Plakat längst nicht mehr auf die Information, sondern versucht im Gegenteil die Erweiterung der Einbildungskraft.

Zur selben Zeit verfolgt Kaspar König eine ganz andere Strategie, wenn er für jede Ausstellung im Frankfurter Portikus ein Plakat drucken läßt. Allen Künstlern erlegt er – aus Gründen der Identitätsstiftung – das Konterfei der Blechkiste mit ihrem pseudoantiken Portal für die Plakatgestaltung auf: „Wir sind da nicht dogmatisch, aber es ist schon so etwas wie ein Spleen geworden, daß wir das fortsetzen.“ Mit Königs Mühen um eine systematische Kampagne schließt sich der Kreis. Für eine Institution, meint er, zähle der öffentliche Anschlag zur notwendigen Maßnahme. So wird von ihm das Plakat letztlich wieder in seinem ursprünglichen Sinn installiert: als Botschaften im Alltagsraum, die ein Publikum rekrutieren, zumindest aber das Annoncierte zäh ins Bewußtsein der Passanten fließen lassen sollen.

Bis 7. Juli im Museum für Angewandte Kunst Köln

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