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Junkies in Schwachhausen unerwünscht

■ CDU-Chef Neumann versucht Beirat unter Druck zu setzen – er hat Freunde in Schwachhausen

Die schmucke Villa am Schwachhauser Ring 110 ist für Passanten ein echter Blickfang. Hinter hohen Bäumen liegt das opulente Gebäude versteckt in einem idyllischen Garten. Der Bau paßt ins Stadtbild und harmonisiert mit den anderen Villen des Nobelviertels – nicht so seine künftigen Bewohner, finden die Nachbarn. Ab dem 1. Juni will die gemeinnützige GmbH STEPS in der Villa ein Therapiezentrum für ehemalige Drogenabhängige unterbringen (siehe taz 20.5). Der Beirat hat dem Projekt quer durch alle Parteien zugestimmt. Jetzt gehen die Anwohner auf die Barrikaden. Mit einer Bürgerinitiative versuchen sie, das Projekt im letzten Moment zu stoppen. „Wir sind empört, daß dieses Haus zu einem Drogenzentrum eingerichtet werden soll“, heißt es in einer Erklärung der Bürgerinitiative. „Es gilt der sich abzeichnenden Entwicklung entgegenzuwirken, die Villen unseres Viertels verstärkt als Unterkünfte für Ausländer und Drogenabhängige zu nutzen.“

Doch die aufgebrachten Mieter führen noch einen anderen Grund für ihre Ablehnung an: Die Mieten im Nobelviertel Schwachhausen seien für derartige Einrichtungen schlichtweg „zu teuer“, findet Rico Cohrssen. 4.500 Mark soll die Villa seiner Einschätzung nach monatlich an Miete kosten. „Dazu hat jeder, Sie und ich, sein Scherflein zu beigetragen“, schimpft er. Außerdem hat er den Verdacht, daß sich die Betreiber von STEPS mit ihrer Einrichtung auf Kosten der Allgemeinheit „die Taschen füllen“ wollen: „Die sind offenbar ganz gut dabei. Die Herrschaften fahren ja sogar Porsche und Landrover“.

Cohrssen wohnt am Schwachhauser Ring 114 – also in direkter Nachbarschaft zu den Ex-Junkies. Auch zur Bremer CDU unterhält Cohrssen eine gewisse Nähe: Er ist mit Landeschef Bernd Neumann gut befreundet. Das allein wäre noch nicht verwunderlich. Doch daß Neumann ausgerechnet die letzte Sitzung des Landesvorstandes in der vergangenen Woche nutzte, um das geplante Drogentherapiezentrum zur Sprache zu bringen, erstaunte die Anwesendenen schon. Warum die CDU-Mitglieder des Beirates diesem Projekt zugestimmt hätten, wollte Neumann laut Ohrenzeugenbericht wissen. Dann verlangte er, daß die CDU-Beiratsmitglieder jetzt gegen das Projekt stimmen sollten. „Wir müssen Klientel-Politik machen“, ermahnte Neumann auch den anwesenden Bausenator Bernt Schulte, der Stadtbezirksvorsitzender der Schwachhauser CDU ist. Von „unter Druck setzen“ könne nicht die Rede sein, betont hingegen Neumann. „Ich bin von vielen Leuten angesprochen worden und habe das Thema auf der Landesvorstandssitzung zur Sprache gebracht“, räumt er ein. „Ich wäre doch ein schlechter Politiker, wenn ich mich nicht dafür interessieren würde, was mir die Leute erzählen.“

Ein CDU-Mitglied, das nicht genannt werden will, sieht das ganz anders: „Unglaublich, daß der Neumann die Landesvorstandssitzung nutzt, um die Interessen seiner Freunde zu vertreten.“ „Der hat klar versucht, Beiratsmitglieder unter Druck zu setzen.“

Cohrssen zögert einen Moment als er auf die Freundschaft mit Neumann angesprochen wird. „Äh, ja, wir sind befreundet. Woher wissen Sie das?“ „Aber Neumann ist ja in Bonn. Wir haben nicht darüber gesprochen. Das darf man auch nicht miteinander vermischen.“ Seine Frau, Traute Cohrssen, gibt an der Haustür hingegen eine andere Antwort: „Ja, Herrn Neumann haben wir auch angesprochen. Der hat dann auch seine Leute...“, sagt sie und wedelt mit beiden Händen.

Boris Pavlekovic, Leiter des Therapiezentrums, sieht der Auseinandersetzung mit der Bürgerinitiative gelassen entgegen. Die Tagessätze von 170 Mark pro Person für die 18 Klienten seien normal. In Hamburg zahle STEPS doppelt so viel Miete wie jetzt in Schwachhausen. Außerdem müsse STEPS die Bilanzen auf den Tisch der Landesversicherungsanstalt legen. Seit sieben Jahren therapiere die Einrichtung Junkies erfolgreich. 30 bis 40 Prozent aller Therapierten blieben clean. Das sei deutlich mehr als der Durchschnitt anderer Einrichtungen. Und außerdem: „Es gibt kein Argument, warum nicht auch Junkies in Schwachhausen leben sollten.“ kes

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