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Rudern und oder

■ Yoko Ono besang die Markthalle mit IMA

Entweder: eine Rockband, eine Profi-Band spielt vor spärlicher Kulisse. Es gelingt ihnen, mit epischen Ausflügen ins Land der Psychedelic und des Funk das größtenteils ergraute Publikum zu begeistern. Kein schlechter Abend. Bis auf die exaltierte Asiatin am Mikro, die offenkundig nicht singen kann.

Oder: die große Yoko Ono, die sie alle kannte und liebte, die Frau, der Mensch, das Charisma, spielt in der Markthalle. Oh weh. Doch sie hat die Ausstrahlung, kann auch auf einer Rock-Bühne bestehen, ihre Stimme, ihre Tanzbewegungen – Kunst. Avantgarde. Ein Erlebnis.

Wenn nur die schrecklich laute Musik nicht gewesen wäre.

Aber auch: Yoko One halt. Die alte Hexe. Wie zu erwarten war. Esoterisches Gehampel und der verzweifelte Versuch, nochmal jung zu sein. Gute Musik immerhin, streckenweise. Und einen Haufen alter Bekannter getroffen.

Synthese: Staunen. Wie alles zusammenkommt, unglaubliche Mengen an Geschichte und Aura, eine nahezu konträre Umgebung, ebenso zeit-lose wie -gemäße Musik, die in ihrer Gesamtheit von Yoko Ono letztlich so viel einbindet, daß der expressive Überschuß nie nerven kann. Damit wird alles gut und normal. Wie ein schrilles Sample auf erprobtem Fundament.

Rückgrat des erweiterten IMA-Projektes: der großartige Baß von Andrew Weiss, der über lange Jahre Henry Rollins den Groove schenkte, bevor er sich ganz seiner alten Leidenschaft mit den Eklektikern von Ween widmete. Als solcher hatte sich Weiss auch in die erlauchte Reihe derer eingereiht, die in das Material der letzten Yoko Ono-Veröffentlichung verändernd eingreifen durften.

Das Ergebnis: 80 Prozent Baß, 20 Prozent Original und Spurenelemente von Yoko Ono, gab den Kurs vor, der sich auf diese Bühne fortsetzte. Dort stand die kleine Frau vergnügt zwischen zwei geschlossenen Gruppen, der jugendlichen Band hinter und der ältlichen Gemeinde mit einem Drittel Presse vor sich. Kontaktpersonen waren in einem Fall der Sohn, welcher auch singen durfte (und mit kieksendem Überschlag die Lehrerin verriet) und ein trauriger Mann um die 50 mit John Lennon T-Shirt.

Für Menschen wie ihn gab es mit professioneller Vehemenz abgelegte Oberteile und lustige Kommunikationsversuche, so die Frage, ob sie denn für 10 DM in den Himmel kommen würde und wenn nicht, ob denn die Hölle billiger wäre. Das brachte ein bißchen absurden Charme in ihre Show und gab letzten Endes ein paar Rosen. Doch davor wurde auf höchstem Niveau gerockt, daß es den späten Led Zeppelin die Rüschenhemden hätte zu Berge stehen lassen. Da war Yoko dann fast ganz bei uns, denn während ihre Altersklasse in den Reihen sich mit leidendem Gesicht die Ohren zuhielt, sprang sie armerudend auf ihrer Grenze, dem Bühnenrand, entlang.

Holger in't Veld

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