: Flucht ins Tennis
■ Steffi Graf gewinnt das längste French-Open-Finale aller Zeiten, und Arantxa Sanchez-Vicario ist "sehr unglücklich"
Berlin (taz/dpa) - Die Dramaturgie einer Hollywood-Schmonzette wurde konsequent eingehalten: Es gab Höhen und Tiefen, katastrophale Fehler und wunderschöne Szenen, einen verschmähten und einen neuen Publikumsliebling, es war episch und voller Dramatik, und als es vorbei war, mußte alles weinen.
Bei Arantxa Sanchez-Vicario waren die Tränen ebenso offensichtlich wie verständlich, denn wer verliert schon gerne das längste Endspiel in der Geschichte der French Open. Und das nach einer 5:3-Führung im entscheidenden dritten Satz. „Sehr unglücklich“ sei das gewesen, meinte die spanische Weltranglistendritte.
Nach drei Stunden und drei Minuten hatte Steffi Graf schlußendlich 6:3, 6:7 (4:7), 10:8 gewonnen und den 19. Grand-Slam-Titel ihrer Karriere eingefahren. Doch nach dem verlorenen Tie-Break im zweiten Satz, in dem sie bereits 4:1 geführt hatte, nur um anschließend sechs Punkte in Folge abzugeben, nach diesem Tie-Break war Graf „fertig und enttäuscht“ und das eher gemächliche Konterspiel von Sanchez-Vicario schien sich durchzusetzen. Doch dann geschah das Unerwartete: Das Publikum, das sich schon viel zu früh vom erklärten Liebling Monica Seles hatte verabschieden müssen, das Publikum, mit dem es sich die immer fidele und sonst so beliebte Sanchez- Vicario bereits in ihrem Viertelfinale gegen die Slowakin Karina Habsudova verscherzt hatte, als sie mit Mondbällen langweilte, dieses Publikum schlug sich nun endgültig auf die Seite von Graf. Aus dem Tennisroboter war nun auch in Paris ein Mensch geworden, der auf dem Platz gar „vor Freude gelacht“ hatte, wie sie sich wunderte. Kurz gesagt: Die Flucht ins Tennis hatte wieder funktioniert.
Trotzdem flossen die Tränen, als sie bei der Ansprache „meinem Coach, meiner Mutter, meinem Bruder – und meinem Vater zu Hause“ für den Erfolg dankte. „Manchmal denkst du nur eine Sekunde darüber nach, und plötzlich erschlägt dich alles“, erzählte sie später. Vielleicht aber war es nur die Erschöpfung, schließlich hatte Graf für die ersten sechs Runden gerade mal fünf Stunden 45 Minuten gebraucht. „Mal sehen, ob ich mich in ein, zwei Tagen einigermaßen bewegen kann.“
Während sie sich von den Strapazen erholt, wird sie vielleicht Zeit haben, mal wieder den Spiegel zu lesen. In der heute erscheinenden Ausgabe wird berichtet, die Weltranglistenerste soll schon 1990 über die Steuertricks ihres Vaters Peter Graf informiert gewesen sein. Auch die Schwarzgeldkonten in Liechtenstein soll sie gekannt haben. Wie das Magazin berichtet, hat der frühere Graf-Vertraute Horst Schmitt die gesamte Familie Graf 1990 über die finanziellen Transaktionen informiert. Schmitt habe dabei erklärt, „daß 1987 die Briefkastenfirma Sunpark Sports B.V. in Amsterdam mit dem Ziel gegründet worden sei, in Deutschland Steuern zu sparen“. Er habe bei der Erläuterung des Steuermodells allerdings auch behauptet, daß den Behörden die gesamte Konstruktion bekannt sei.
Wir sehen also, daß auch das Ende einer Schmonzette angemessen ist: To be continued... to
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen