: Flüchtlinge stehen vor verschlossenen Türen
■ JuristInnen aus den ehemals jugoslawischen Teilrepubliken fordern für rückkehrende Flüchtlinge neben passablen Wohnungen auch rechtlichen Schutz
Berlin (taz) - Wenn eine muslimische Familie im Rahmen der Rückführung in ihre Heimatstadt Sarajevo zurückkehren möchte, kann es sein, daß sie vor verschlossenen Türen steht. Die bosnische Regierung hat kurz nach Ende des Krieges leerstehenden Wohnraum teilweise für verlassen erklärt und im Land gebliebene Flüchtlinge dort einquartiert. Diese Schwierigkeit und andere rechtsstaatliche Probleme vor Ort waren Thema der Konferenz „Leben im Exil – Rückkehr in die Fremde“ vergangene Woche in Berlin. 16 JuristInnen aus Serbien, Kroatien und Bosnien-Herzegowina machten den deutschen TeilnehmerInnen klar, daß eine massenhafte Rückkehr zum jetzigen Zeitpunkt den unsicheren Frieden nur gefährden könnte.
So existieren in Bosnien-Herzegowina zwar durch den Dayton- Vertrag Gesetze zum Wohnrecht der Flüchtlinge oder zur Regelung der Amnestie für Angehörige der verschiedenen Armeen, doch faktisch kommen sie nicht zur Anwendung. Der Spliter Rechtsprofessor Nikola Visković sieht das Hauptproblem im Vertragsabschluß von Dayton. Die unterzeichneten Vertragspartner waren die kriegsführenden Parteien. „Das Daytoner Abkommen hat die Terroristen an der Macht gelassen. Nun sollen sie durch Wirtschaftsboykott zu guten Menschen werden.“ Sie haben jedoch, so Visković, keinerlei Interesse daran, ihre militärischen „Erfolge“, nämlich die „ethnisch reinen“ Gebiete, wieder rückgängig zu machen. Die bosniakisch-serbisch-kroatische Föderation von Dayton existiere lediglich auf dem Papier, faktisch ist Bosnien-Herzegowina nach Ethnien geteilt.
Biljana Kovacević, Richterin aus Belgrad und Mitglied des Helsinki-Komitees, teilt die negative Auffassung über das Abkommen von Dayton nicht. Für sie ist der Vertrag „erst der Anfang des Friedensabkommens“, und so könne er als eine Grundlage für die Zukunft dienen.
Die Probleme von Ort sind massiv. So läßt die Republik Serbien in Bosien-Herzegowina keine Vertriebenen in ihre Häuser zurück, obwohl sie vertraglich dazu verpflichtet sind. Lediglich Geldzahlungen hatte Karadžić als Ausgleich angekündigt. Selbst in den Gebieten, die noch oder wieder zum muslimischen Teil gehören, besteht fast keine Möglichkeit zur Rückkehr. In Sarajevo, so berichten Ombudsleute, haben die im Ausland lebenden Flüchtlinge bereits ihr Wohnrecht verwirkt. Die nun dort wohnenden Flüchtlinge sind für die anstehenden Wahlen ein besseres Stimmvolk, da man sich ihrer Loyalität gewiß sein kann.
Der Wohnraum ist auch schwer einklagbar, da faktisch keine Trennung zwischen Legislative und Exekutive besteht. Diese totalitären Herrschaftsstrukturen in allen Teilen Exjugoslawiens führen auch zum Mißbrauch der bestehenden Amnestiegesetze. Es kommt zu Verhaftungen wegen angeblicher Kriegsverbrechen, die jedoch meist politische Hintergründe haben. Von der EU wurde gefordert, Druck auf die Regierungen auszuüben, damit sie die freiwillige Rückkehr fördern, das Eigentum gewährleisten und die Amnestiegesetze befolgen.
Von deutscher Seite wurde betont, daß die festgelegten Fristen zur Rückkehr ohne Rücksicht auf die Realität festgelegt wurden und menschenunwürdig seien. Die Innenministerkonferenz sollte den Flüchtlingen ein sicheres befristetes Aufenthaltsrecht gewähren, damit sie zu Orientierungsreisen in ihre Heimat fahren können und ohne Schwierigkeiten in visumpflichtige Länder wie Österreich durchreisen können. Elke Eckert
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen