■ SURFBRETT
: Dringend gesucht in Netz: der DGB

Suchmaschinen tun, was ihr Name sagt. Sie suchen etwas. Ob sie es finden, ist ungewiß, und zwar deswegen, weil sie immer etwas finden, nur nicht immer das Gesuchte. Das „Department of General Biology“ in Moskau zum Beispiel war nicht gemeint mit der Eingabe „DGB“. Suchmaschinen sind Anzeigetafeln für die Zeichen der Zeit. Wer dort keine Spur hinterläßt, kann vergessen werden. Tatsächlich ist die größte Arbeiterorganisation der Welt kein Teil des Cyberspace, zumindest nicht aus eigener Kraft, das heißt mit eigener Homepage. Es spräche nichts dagegen, sie „Heimatseite der Arbeiterklasse“ zu nennen. Arbeiter können großartig mit Computern umgehen, nur der DGB kann es nicht.

Die Abteilung für allgemeine Biologie der Universität Moskau kann es zum Beispiel besser. Sie hat sich unter der Abkürzung „DGB“ selbstbewußt ins Web gestellt. Suchmaschinen sind ja deswegen aufschlußreich, weil sie die Treffer zählen und die Fundstellen mit der höchsten Quote an den Anfang der Ergebnisliste stellen. Die Moskauer stehen weit oben, der deutsche DGB unten. Wer erst nach der dritten Bildschirmseite auf der Liste erscheint, ist nur ein erwähntes Objekt irgendwelcher Sekundärliteratur. Im Internet ist der DGB ein Gegenstand von Aufsätzen, die Pflichtlektüre sind von irgend jemandem, der sich aus beruflichen Gründen damit beschäftigen muß.

Der DGB sollte versuchen, diesen Zustand zu ändern. Angst braucht er davor nicht zu haben, niemand muß im Internet übermäßig modern sein, womöglich postmodern. Es gibt nämlich – als Sekundärreferenz für „DGB“ – die Erinnerung an die Veranstaltung „NETZtRÄUME“ des vergangenen Jahres an der Uni Frankfurt. Unter http://www.uni-frankfurt.de/ ~diwersy/netztrae.htm berichten Studenten der Informatik darüber, daß sie sich „im September 95 gegen die Zensur an der Uni und anderswo“ wehren mußten. Sie zitieren den Philosophen Adorno und laden „ganz real (was immer das auch ist)“ in den DGB-Jugendclub ein, der durch den Eingang in der Rückseite des DGB-Hauses zu erreichen sei.

Macht zwei Treffer für die Gewerkschaft. Sie widerlegen hinreichend den abergläubisch zitierten Satz von Adorno, der lautet: „Nicht die Technik ist das Verhängnis, sondern ihre Verfilzung mit den gesellschaftlichen Verhältnissen, von denen sie umklammert wird.“ Irrtum. Die Technik wird zum Verhängnis, wenn sie nicht endlich umklammert wird von den gesellschaftlichen Verhältnissen, in diesem Fall vom DGB.niklaus@taz.de