: Soviel Trend war nie!
■ Die geheimen Vorlieben der BremerInnen – zwei heiße Trend-Reports decken endlich alles auf / Starke Handy-Müdigkeit
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er Bremer – steif und stur, stocknüchtern und angepaßt? Einer, der brav im Mainstream mitschwimmt? Kaum zu glauben. Aber leider wahr. Denn genau das zeigt das aktuelle Bremer „Trend-Barometer“ an. Gestern kam alles raus: Die „Citibank“ (Filiale Bremen, Slogan: „The Citi never sleeps“) gab die heiß erwarteten Ergebnisse ihrer „Cititrends“-Umfrage bekannt. Fazit: Der Bremer ißt am liebsten Pizza, hört Rock- & Popmusik und frönt dem Fitneßsport – gäääähn!
Riesenenttäuschung auch bei „Citibank“-PR-Chef Ralf R. Leinweber (42, kam per Jet aus Düsseldorf). Der Bänker über Bremen: „Im Rheinland können Sie neue Sachen schneller verankern als hier im Norden – das ist auch ein Mentalitätsunterschied ...“ Die Bremer – bloß müdes Mittelmaß?
1000 junge BremerInnen (zwischen 18 und 35) hatten sich in den letzten vier Wochen von der Bank zu ihren Vorlieben befragen lassen. Hätte man sich sparen können: Ein Blick aus dem Fenster hätte genügt! Einzelergebisse der „Cititrends“: Lieblingsclub ist Werder, Lieblingssportler Olli Reck und Mario Basler; die Kleidung soll „sportlich leger“ sein (41 %); beim Italiener essen 41 % am liebsten, gefolgt von griechischen und chinesischen Lokalen; 53 % benutzen regelmäßig einen Computer (31 % haben CD-ROM, Fax 19 %, Handy 16 %) – damit liegt Bremen erheblich hinter Aachen und Münster, wo ebenfalls „Cititrends“ ermittelt wurden.
Einzige Überraschung: Lieber als ins Kino oder Theater geht der Citi-Bremer ins Museum (28 %) – am liebsten zu Paula (Modersohn-Becker). Trendprognose für die Zukunft: „Modern Art und Musical“ – Bremens Wirtschaftssenator und Musical-Sponsor Helmut Perschau (47) darf sich schon mal freuen: „Jeckyll & Hyde“ (kommt ab '98) wird ein Publikums-Renner!
Wirklich spektakulär hingegen die Ergebnisse der „taztrends '96“, ebenfalls gestern vorgestellt. Spontan durchgeführt in einer breit angelegten Repräsentativ-Umfrage unter ca. zehn (10) MitarbeiterInnen der Zeitung. Ergebnis: Der Bremer ist einfach unberechenbar – mal mega-cool, mal total spießig.
Die „taztrends“-Ergebnisse:
l Musikgeschmack: Von Beatles bis Grungerock (“Vivid“) – mit dabei: die Bremer Frauenband „Linda Potatoes“
l Trend-CD: „Sir“ Neville Gardiner („Requiem“), Everything But The Girl (Kuschelrock – einfach süüüß ...), „Hard Trance Explosion IV“ (mega-trendy!!!)
l Trend-Food: deutsch! Linsensuppe, Petersilienkartoffeln und Kotlett mit Kartoffelbrei weit vorne. Geheimtip: „Spaghetti alla putanesca“ – irre scharf! Abgeschlagen: Pizza Hawaii (mega-out!!!)
l Trend-Dinks: Brandy, Bananensaft, Äppelwoi (Kelterei Possmann, Hochstadt/Taunus)
l Kultur-Trends: Kino, Kino, Kino ... heimliches Highlight: mal zu Werder gehen – schrill!
l Trendsport: Radeln und Gymnastik – von Extremsportarten (Internet-Surfen) haben die BremerInnen die Nase voll ...
l Trendhobby: Musizieren, Ahnenforschung, Faulenzen
l Modetrends: Schlapperpulli, Jeanskluft und olle Wollsocken. Mit einer Nennung dabei: G-String. Brême, oh là là!
Aaaber: Auch die „taztrends“ geben nicht nur Anlaß zum Jubeln. Bremen-Kenner Burkhard Straßmann (43): „Völlig vermufft und spießig!“ Die BremerInnen präsentieren sich „unglaublich angepaßt, völlig durchschnittlich – um nicht zu sagen: medioker!“
Beweis Nummer 1: „Spaghetti hab' ich schon als Kind gegessen“. Nummer 2: „Es taucht überhaupt nichts über Motorräder auf – kein Wort über Enduro-Maschinen!“
Die „Cititrends“ werden demnächst per Broschüre ins Rathaus geschickt.Gibt's dann mehr Geld für Trendsportarten und billigere Werder-Tickets?
Und die „taztrends '96?“ Heißes Interesse an der Verwertung soll schon Matthias Horx (40), der Trendforscher und Zeitgeist-Guru der Deutschen, bekundet haben. Die „tazler“ warten bloß noch auf einen Anruf ... tw
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