: Mehr Geld oder Jobs, das ist die Frage
■ Tarifkampf in Bremen nach Tarifempfehlung noch nicht zuende - es geht erst los
Beschäftigung sichern oder Lohnzuwachs mitnehmen - wie diese Ziele umgesetzt werden können, daran scheiden sich die Geister bei den Bremer Landesverbänden der Gewerkschaften nach der Einigung der großen Tarifkommission.
1,3 Prozent mehr Lohn und Gehalt ab 1997, eine Sonderzahlung von 300 Mark noch in diesem Jahr, das steht bei den Arbeitnehmern auf der Habenseite nach dem tariflichen Tauziehen mit den kommunalen Arbeitgebern. Ob alle Beschäftigten des öffentlichen Dienstes im Lande Bremen an der Lohnerhöhung tatsächlich partizipieren werden, ist allerdings offen. Seit Ende 1996 basteln Arbeitnehmervertreter und Arbeitgeber an einem Solidarpakt für Beschäftigungssicherung. Dazu haben die Gewerkschaften ein 14 Punkte umfassendes Eckwertepapier vorgelegt, in dem u.a. Lohn- und Gehaltskürzungen, aber auch eine Teilzeitoffensive auf freiwilliger Basis gefordert werden. Der Bremer Senat hat klar gemacht, daß es keinen Zuwachs bei den Lohnkosten geben wird, im Haushalt sind auch keine zusätzlichen Personalmittel eingestellt. Deshalb enthält der Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst eine spezielle Öffnungsklausel für Bremen, die besagt, daß auch nach einer Tarifeinigung noch einmal über Wege der Beschäftigungssicherung gesprochen wird. Worüber man mit dem Senat am Verhandlungstisch sprechen will, ist trotz des Eckwertepapiers bei den Gewerkschaften nicht eindeutig. DAG und ÖTV bleiben bei ihrer Linie: Keine Einkommensminderung, sondern im Gegenteil die Mitnahme der Erhöhung. „Der Tarifabschluß hat auch für Bremen Gültigkeit,“ meinte gestern die Bremer Vorsitzende der Deutschen Angestelltengewerkschaft (DAG), Brigitte Dreyer, und befindet sich damit im Einklang mit dem Vorsitzenden des ÖTV-Bezirks Weser- Ems, Jan Kahmann, der mitteilen ließ, daß die Schlichtungsempfehlung „selbstverständlich“ auch in Bremen umgesetzt werde. Dementsprechend sieht Brigitte Dreyer „wenig Spielraum“ bei den anstehenden Verhandlungen über Beschäftigungssicherung. Heiko Gosch, Sprecher des Landesverbandes der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), bewertet die Situation anders, für ihn ist der Verzicht auf die anstehende Einkommenssteigerung kein Tabu. „Wir sind bereit, darüber zu verhandeln, auf die Lohnerhöhung zu verzichten“, stellt er fest. Die eingesparten Mittel dürften aber auf keinen Fall zur Sanierung des Haushalts verwendet werden, sondern müßten einen Beschäftigungseffekt haben, meint Gosch. Eines seiner Modelle: Bei mittleren und höheren Einkommensstufen auf Lohnzuwächse verzichten und sie stattdessen in Freizeit abgelten.
Für Gosch ist mit Blick auf die zurückliegenden Tarifverhandlungen weniger die Einkommenserhöhung wichtig, als die Abwehr „des Einstiegs in den Sozialabbau, der über den öffentlichen Dienst erfolgen sollte“. Den Verhandlungen mit dem Senat über einen Solidarpakt steht auch Heiko Gosch gleichwohl skeptisch gegenüber. Zu Recht, denn Finanzsenator Nölle hat bereits angekündigt, daß die Umsetzung der Tarifvereinbarung in Bremen Jobs kosten werde. Dies bekräftigt auch der Chef der Senatskanzlei Reinhard Hoffmann. „Wieviel Stellen der Gegenwert von 1,3 Prozent Einkommenserhöhung“ sei, wisse man noch nicht. Doch für Hoffmann ist klar: wird der Tarifabschluß in Bremen umgesetzt, „wird es in irgendeinem Umfang Stellenabbau geben, ja“. wik
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