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Union streitet um die Wähler im Osten

■ Debatte in der CDU um die künftige Oststrategie. Mit offenen Listen wie bei der PDS sollen Vorbehalte in Ostberlin abgebaut werden. Bürgerrechtler und ehemalige Staatsfunktionäre als neue Zielgruppen

In der CDU beginnt zaghaft eine Debatte um das Erscheinungsbild im Ostteil der Stadt. Dabei geht es weniger um die Frage, wie es die Partei mit der PDS hält. Erst vergangene Woche hatte CDU-Bundesgeneralsekretär Peter Hinze bei einer Stippvisite in Berlin den Kurs noch einmal in aller Deutlichkeit abgesteckt: Es gebe gar keinen Grund für die Union, den harten Kurs gegenüber der PDS aufzugeben.

Doch nicht alles, was von der PDS kommt, muß von der CDU links liegengelassen werden. Der Ostberliner Abgeordnete Andreas Apelt glaubt, daß seine Partei durchaus von der PDS lernen könnte. In einem Diskussionspapier über das Selbstverständnis der Union, das für die parteiinterne „Werkstatt der Einheit“ erarbeitet wurde, schlägt der 38jährige vor, von der Gysi-Partei die Strategie der offenen Listen zu übernehmen. Mit unabhängigen und parteilosen Kandidaten war die PDS zuletzt bei der Abgeordnetenhaus-Wahl im Oktober äußerst erfolgreich gewesen. Die CDU müsse, so Apelt, darüber nachdenken, ob sie nicht „anerkannte Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens“ auf offenen Listen präsentiere, um in Ostberlin „Vorbehalte“ der Wähler abzubauen. Dort sieht er nach wie vor große Defizite seiner Partei: Die CDU werde „noch nicht als Gesamtberliner Partei“ wahrgenommen. So müsse sich die Wahlkampfstrategie stärker an ostdeutschen Befindlichkeiten orientieren.

Der kulturpolitischen Sprecher der CDU-Fraktion, Uwe Lehmann-Brauns, sieht hingegen in den Bürgerrechtlern der ehemaligen DDR eine neue Zielgruppe der Union. Der Anwalt von Wolf Biermann hält die einstigen Oppositionellen für ein „Beispiel des aufrechten Ganges durch die Diktatur“, wie es in einem von ihm formulierten Papier heißt. Andere, wie etwa Fritz Niedergesäß, stellvertretender Landesvorsitzender, möchten ehemalige Staatsfunktionäre nicht ausgrenzen. Auch die Gründe eines ehemaligen NVA- Offiziers müßten berücksichtigt werden: Es könne ja sein, daß dieser wegen der im KZ umgekommenen Eltern zur Volksarmee gegangen sei, meint der 56jährige Niedergesäß, der 1958 in die DDR- CDU eintrat.

Bei der Frage des Umgangs mit der PDS erschöpfen sich die parteiinternen Papiere in hilflosen Floskeln. Apelt, der unter anderem für ein „gesundes Nationalbewußtsein“ plädiert, will die Auseinandersetzung vom „Standpunkt des christlich-abendländischen und idealistischen Weltbildes“ führen. Mit Uwe Lehmann-Brauns ist er sich einig, daß eine „Dämonisierung“ der PDS tunlichst vermieden werden sollte. Nur eine sachliche Debatte beraube die PDS ihres „Heiligenscheines“. Lehmann- Brauns hält die PDS für eine „Übergangserscheinung“ und rät seiner Partei zur Gelassenheit: Die Wahlergebnisse im Ostteil sollten zur „Kenntnis“ genommen werden und als Ansporn dienen, die „Bemühungen um die Einheit zu verstärken.“ Severin Weiland

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