: Begründete Zweifel
■ betr.: „Brandstifter oder selbst ein Opfer?“, taz vom 3. 6. 96
Viereinhalb Monate nach der Brandkatastrophe in einem Lübecker Ausländerwohnheim bezieht die taz Stellung: Für die Lübecker Staatsanwaltschaft und gegen Fernsehmagazine, Zeitschriften und linke Gruppen. Die begründeten Zweifel an der Täterschaft des Libanesen Safwan E. werden in den Berliner Redaktionsstuben der taz offenbar kaum noch ernst genommen.
Anerkennung findet allein die Arbeit einer Anklagebehörde, die mühsam „Mosaikstein um Mosaikstein“ zusammengetragen hat, und die sich ihre Version von Brandsachverständigen bestätigen ließ.
Demgegenüber stehen ein (offenbar wenig glaubwürdiger) Brandschutzexperte der Verteidigung, der Zweifel an der Version der Staatsanwaltschaft „sät“ und Medien, die zum „Run auf die Zweifel“ losschlagen. Recherchiert hat die taz ihre implizite Stellungnahme kaum: Sonst hätte sie erkannt, daß das eilig zusammengeschusterte Brandgutachten des LKA Kiel von Unstimmigkeiten nur so wimmelt, daß das BKA den vermuteten Ausbruchsort des Brandes mittels Brandsimulation eben nicht bestätigen konnte, daß die Aussage, die der Beschuldigte gegenüber einem Rettungssanitäter abgegeben haben soll, in keinem wesentlichen Punkt „Täterwissen“ enthielt und vieles mehr. Im ARD-Magazin „Monitor“ wurde schon früh auf all die Unstimmigkeiten in den Ermittlungen hingewiesen. Der „Monitor“- Kritik an der Lübecker Staatsanwaltschaft liegen umfangreiche Recherchen zugrunde, die sich die taz offenbar geschenkt hat: Nicht einmal beim Vorort-Termin der Verteidigung am Brandhaus war ein taz-Mitarbeiter anwesend. Aber schlimmer noch: Selbst der hilflose Versuch der Staatsanwaltschaft, mittels eines Lauschangriffs auf Safwan E. die dürftige Beweislage aufzubessern, war für die taz „von Erfolg gekrönt“, denn „in den Gesprächen wurden rassistische Züge (des Beschuldigten) offenbart“. Kritisiert wird nicht das rechtsstaatlich umstrittene Mittel, sondern die Reaktion „linker Gruppen“, für die der Lauschangriff ein „willkommener Anlaß“ gewesen sei, „der Behörde Einseitigkeit vorzuwerfen“. Diesen Vorwurf muß sich nun die taz gefallen lassen. Mehr noch: Wer Opfer mangelhafter Recherche wird, droht hier selbst zum Brandstifter zu werden. Georg Restle,
„Monitor“-Autor, Köln
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