Freiwilligkeit gilt für VietnamesInnen nicht

■ Ausländerbehörde hält Aufklärung in der Landessprache für überflüssig. Beanstandung durch Datenschutzbeauftragten

Datenschutz ist für VietnamesInnen in Berlin nicht vorgesehen. Nicht anders ist eine Praxis der hiesigen Ausländerbehörde zu interpretieren, die der Datenschutzbeauftragte Hansjürgen Garstka jetzt bei der Senatsverwaltung für Inneres mit einer förmlichen Beanstandung kritisiert hat: 40.000 ausreisepflichtige VietnamesInnen werden, um ihre Rückführung nach Vietnam zu organisieren, nach einem Abkommen zwischen der Bundesrepublik und Vietnam bundesweit angeschrieben und um die Ausfüllung eines Fragebogens gebeten. Das geschieht auf Wunsch der vietnamesischen Regierung. Das Ausfüllen ist freiwillig.

Die Berliner Ausländerbehörde jedoch weist auf die Freiwilligkeit nicht hin und verweigert obendrein, das Anschreiben in vietnamesisch zu verfassen. „Uns wurde geantwortet, daß deutsch ja schließlich die Amtssprache sei, und aus Haushaltsgründen käme eine vietnamesische Fassung nicht in Frage“, empört sich die stellvertretende Datenschutzbeauftragte Claudia Schmidt. Der Briefwechsel mit der Behörde zieht sich schon seit Januar hin. Schmidt befürchtet, daß die Behörde mit der Verzögerungstaktik die Kritik der Datenschützer außer Kraft setzen wolle und der Skandal abgewickelt ist, bevor die Betroffenen informiert werden können. Auf die Kritik und die Empfehlungen habe die Behörde bisher nur abweisend reagiert.

„Die Beanstandung ist unser schärfstes Mittel, um Datenschutzskandale aufzudecken“, merkt Claudia Schmidt resigniert an. Die Datenschützer hatten den Fall aufgegriffen, nachdem bundesweit VietnamesInnen unter Druck gesetzt wurden, diese Bögen auszufüllen. Daß in Berlin aber den Betroffenen nicht einmal gesagt wird, daß sie das Recht haben, die „Selbstangaben“ nicht zu machen, ist für Claudia Schmidt die Krönung des Skandals.

Die Datenschützer beanstanden an der Praxis der Innenverwaltung noch mehr Punkte: Dem Schreiben an die VietnamesInnen ist immer auch ein Antrag auf Paßersatz beigefügt, über den Daten erhoben werden. Wenn die Betroffenen gültige Papiere haben, müßten sie den aber gar nicht ausfüllen, kritisiert der Datenschutzbeauftragte Hansjürgen Garstka. Außerdem melden die Behörden VietnamesInnen zur „umgehenden Rückführung“, so die Beanstandung, die lediglich im Verdacht stehen, eine schwere Straftat begangen zu haben. Das ist weder datenschutz- noch ausländerrechtlich korrekt. In Berlin leben nach Angaben der Innenverwaltung schätzungsweise „7.000 legale“ und „etwa 20.000 bis 23.000 illegale“ VietnamesInnen.

Françine Jobatey, Pressesprecherin der Innenverwaltung, sagte gestern lediglich, daß ihre Behörde die Beanstandung derzeit prüfe. Bis zum 1. Juli hat die Senatsverwaltung nun Zeit, dazu Stellung zu nehmen. Ändert sie die Praxis nicht, so Datenschutzmitarbeiter Detlef Schmidt, bleibe noch der parlamentarische Weg. Barbara Junge