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Letzte Bilder aus der leeren Kunsthalle

Den Charme verlassener Fabrikhallen haben Künstler ja schon vor geraumer Zeit für sich entdeckt. Rostende Räderwerke, schimmelnde Mauern, geborstene Rohre – eine wahre Fundgrube für die Freunde des Pittoresken; eine Kunst, der verklärten Ruinenromantik des 18. Jahrhunderts nicht unähnlich. Nun, da auch die Kunsthallen verfallen, gibt es neue Nahrung für diese alte Leidenschaft.

Klar, daß die Bremer Kunsthalle, seit Jahrzehnten dem Verfall preisgegeben, die Künstler besonders anzieht. „Letzte Bilder“ (so der Titel) aus dem maroden, inzwischen zur Sanierung leergeräumten Museumsbau zeigt nun eine kleine Fotografie-Schau.

Und siehe: Was vorher oll und gammelig war und manchem Bremer Kunstfreund die Schamesröte ins Gesicht trieb – auf den Fotos wirkt es plötzlich liebenswürdig, fast schön. Besonders der Fotografin Cordula Schmidt haben es die rauhen Ecken und Macken des Gebäudes angetan.

Die Gemälde selbst rutschen in Schmidts klug gewählten Ausschnitten an den Rand; dafür prangen sehr prominent Abluftgitter, Sitzhocker und Kabel im Bilde. Schmidts Kunst ist es, diese nicht als Schandflecken erscheinen zu lassen, sondern als kleine Besonderheiten, die letztlich zur Atmosphäre des Hauses beitragen. Wir werden sie noch vermissen – jene Sofaecke (Breitcord), die ihre schwermütige Aura jahrzehntelang im Max-Beckmann-Saal verströmte.

Doch sentimental werden diese Bilder selten. Schmidt sagt, sie liebe vor allem die ruhige Stimmung der Kunsthalle. Jetzt ist alles freilich noch ein wenig ruhiger geworden.

Wie es aussieht, wenn gar keine Bilder mehr hängen, zeigen die Arbeiten ihres Projekt-Kollegen Jörg Michaelis: stille, feierliche Ansichten leerer Hallen, Galerien und Magazine, lichtdurchflutet, zeitlos schön.

Mit einem einfachen, aber genialen Kunstgriff macht schließlich die Dritte im Bunde, Ute Lindner, die Spuren der Zeit im Museum sichtbar. Sie nahm sich die Wandbespannung her, die zuvor zur Präsentation kleinerer Landschaftsbilder diente. Wo Blechens Bergidyllen in schönen Rahmen prangten, starren nun natürlich helle Flecken; ringsum hat die Sonne dem Sackleinen einen tief pißgelben Ton verliehen. 30 Jahre Belichtungszeit – das ließ sich die Künstlerin, selbst jünger als ihre Objekte, nicht entgehen. So hängen die bilderlosen Leinenwände, in traurig-traulicher Schönheit, jetzt selbst als Kunstwerke in der Halle. Und sind schon wieder dem Vergehen geweiht: Nur drei Tage lang hängen diese „Letzten Bilder“ – dann kommen endgültig die Sanierer, mit frischer Farbe. Thomas Wolff Foto: Jörg Michaelis

Geöffnet am 20.6. von 18-21 Uhr, am 21.6. von 10-17 Uhr, am 22.6. von 10-14 Uhr

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