Gute Sache, falsche Freunde

■ Ein Buch über schwule Emanzipation und linke Vorurteile

Um nicht allein zu sein auf der Welt, sucht man sich Freunde. Homosexuelle schielten dabei immer nach links, dorthin, wo der Fortschritt vermutet wurde, der Wille zur Veränderung, die Fähigkeit zu Offenheit und Toleranz. Das war so, seitdem Homosexuelle in Deutschland sich politisch bewegten und Ausschau hielten nach Bündnispartnern und einer politischen Heimat.

Daß dies ein Irrweg war und ein kompletter Reinfall, versuchen die Autoren von „Die Linke und das Laster – Schwule Emanzipation und linke Vorurteile“ zu belegen. In seiner Darstellung der ersten Periode vor und nach der Jahrhundertwende zeigt der Hamburger Journalist Detlef Grumbach, wie sowohl die SPD als später auch die KPD sich auf die Seite der ersten deutschen Schwulenbewegung schlugen und auf der politischen Ebene versuchten, den Paragraphen 175 als Bestandteil der bürgerlichen Klassenjustiz abzuschaffen. Gleichzeitig hielten sie aber fest an dem Vorurteil, die Homosexualität sei eine „Dekadenzerscheinung [...] der überlebten und abgewirtschafteten Klassen des Adels und der Bourgeoisie“. Entsprechend läßt Grumbach den Historiker George L. Mosse resümieren: „Wer von der Gesellschaft als abnorm betrachtet wurde, konnte nicht auf Hilfe seitens des Proletariats rechnen.“

Im Gegenteil: Mit dem aufkommenden Faschismus, der die Verfolgung der Homosexuellen vorantrieb und perfektionierte, bediente sich die Linke antischwuler Vorurteile im Kampf gegen die Nazis. Von einer „sozialen Konstruktion des homosexuellen Nationalsozialisten“ spricht der Berliner Soziologe Alexander Zinn nach eingehender Lektüre der Exilperiodika zu Beginn der dreißiger Jahre. Mit Verweis auf Ernst Röhm und andere Nazi-Größen stellten die Exilzeitschriften und -zeitungen von SPD und KPD einen Zusammenhang her zwischen Nationalsozialismus und Homosexualität, um den politischen Gegner von außen bloßzustellen. Dabei wurden, so Zinn, die ersten Verhaftungswellen unter Homosexuellen bewußt geleugnet.

Mit dem Ende des Dritten Reiches schöpften die Homosexuellen in Deutschland neue Hoffnung auf gesellschaftliche Anerkennung und juristische Gleichstellung. Die fraglose Übernahme der von den Nazis verschärften Fassung des Paragraphen 175 in das Strafgesetzbuch der jungen Bundesrepublik machte diese Erwartungen im Westen schnell zunichte. Nicht ganz so einfach verlief es in der frühen DDR, wie der Ost-Berliner Sexualwissenschaftler Günter Grau nachweist. Da wurde beispielsweise gleich nach dem Krieg in Thüringen der Paragraph 175 in seiner Nazi-Fassung außer Kraft gesetzt und in Sachsen sogar als „typisch nationalsozialistisch“ abgelehnt. Insgesamt aber galt für die Aufbaujahre der DDR: „Vorschläge zur Reform des Paragraphen 175 [...] wurden mit dem Hinweis abgelehnt, es gebe dringendere Aufgaben.“ In der Folge lief der sozialistische Konsens darauf hinaus, Sexualität als Privatsache zu behandeln und damit die Homosexualität weiterhin zu tabuisieren.

Auch im Westen nichts Neues: Zwar bildete sich im Zuge der Studentenbewegung eine Schwulenbewegung neu, doch blieben alle Annäherungsversuche sowohl an die undogmatische Linke als auch an die Kaderorganisationen der APO-Ära ohne nennenswerten Erfolg. Vor dem Hintergrund der eigenen Erfahrung in der Schwulenbewegung der siebziger Jahre schildert der Berliner Journalist Elmar Kraushaar das vergebliche Werben. Da argumentierten die Hetero-Genossen mit dem „Nebenwiderspruch“ oder belebten neu die Rede von der Allianz von Homosexualität und Faschismus. Kraushaars Fazit der linken Abwehrmaßnahmen: „Nichtbefassung und Schweigen“. Das augenfällige Desinteresse führte schließlich nach Gründung der grünen Partei dazu, daß „Schwule im Schoße der Partei Arbeitsgruppen gründen, Papiere formulieren und Resolutionen vorbereiten durften, denen man an entscheidender Stelle seine Stimme gab, ohne genau zu wissen, wofür. Es ging um eine irgendwie gute Sache, und es ging um potentielle Wähler.“

Das Resümee der Autoren ist ernüchternd: „Wenn überhaupt, haben sich die linken Parteien auf eine ablehnende Haltung zum Paragraphen 175 beschränkt, haben sie – je nach Opportunität – um schwule Wählerstimmen geworben oder geglaubt, gerade diese sich nicht leisten zu können.“ Raimund Graf

Detlef Grumbach (Hrsg.), Die Linke und das Laster – Schwule Emanzipation und linke Vorurteile, MännerschwarmSkript, Hamburg 1995, 28 Mark