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Menschenhandel leichtgemacht

■ Die Innenbehörde ignoriert entscheidende Forderungen der Fachkommission „Frauenhandel“, die die Abschiebung von Belastungszeuginnen verhindern und ihnen besseren Zeugenschutz gewähren sollen

Auch ein Jahr nach Einrichtung der behördenübergreifenden Fachkommission „Frauenhandel“ ist es so gut wie unmöglich, Verfahren gegen Frauenhändler erfolgreich durchzuführen. Wichtige Empfehlungen der Kommission zum Umgang mit ausländischen Frauen, die zur Prostitution gezwungen wurden, werden von der Innenverwaltung ignoriert. Nach wie vor können diese Frauen als Hauptbelastungszeuginnen voreilig abgeschoben werden, wenn die Strafverfolgungsbehörden keine Duldung beantragen. Ebensowenig gibt es das geforderte Zeugenschutzprogramm für Frauen nach der Hauptverhandlung. Frauenstaatssekretärin Helga Korthaase (SPD) bezeichnet die Praxis der Innenbehörde als „Schritt in die richtige Richtung, der aber nicht ausreicht“.

Die Ausländerbehörde erteilt gefährdeten Frauen erst dann eine Duldung für die Dauer der Hauptverhandlung, wenn Staatsanwaltschaft oder Polizei dies beantragen. Die Fachkommission hatte im März eine Umkehr des Verfahrens empfohlen: Die Ausländerbehörde, so das Fachgremium, dem unter anderem Vertreter aus der Innen- und Justizverwaltung, der Kripo und des Landesamtes für Soziale Aufgaben angehören, solle vor der Abschiebung einer illegalen Prostituierten zu einer Nachfrage verpflichtet werden, ob die jeweilige Frau als Kronzeugin gebraucht werde. Bei der Staatsanwaltschaft gibt es jedoch kein einheitliches Vorgehen: „Einige Staatsanwälte beantragen das, andere lassen die Zeuginnen ausreisen, weil sie sonst Gefahr laufen, wieder ins Milieu zu geraten“, sagt Corinna Bischoff von der Justizverwaltung. „Damit haben wir große Probleme“, kritisiert Korthaase, die auch Vorsitzende der Fachkommission ist. „Das haben wir so nicht beschlossen.“

Seit 1. März gilt die Weisung der Innenbehörde, die nicht so weit geht, wie die Kommission es empfohlen hat. Sie weist damit die Staatsanwaltschaft und Polizei an, im Bedarfsfall eine Duldung bei der Ausländerbehörde zu beantragen. Nachdem Ende Februar eine als Zeugin vorgesehene Ukrainerin abgeschoben worden war, weil die Staatsanwaltschaft ihren Antrag auf Duldung nicht schriftlich formuliert hatte, reicht seitdem eine „mündliche Bitte“.

Die Innenverwaltung hält an ihrer Praxis fest, sich allein auf die Strafverfolgungsbehörden zu verlassen. Das jetzige Verfahren sei „sach- und zielgerecht und vom Aufwand her vertretbar“, so Innenstaatssekretär Kuno Böse.

Wie schwierig Erfolge im Kampf gegen den Menschenhandel mit der vorliegenden Regelung sind, zeigt ein aktueller Fall: Seit Dienstag läuft vor dem Landgericht ein Verfahren gegen vier Russen, die angeklagt sind, drei russische Frauen zur Prostitution gezwungen zu haben. Doch es scheint fast aussichtlos, daß die Hauptbelastungszeuginnen, von denen sich zwei bereits in der Ukraine befinden, vor Gericht aussagen werden. Ob sie freiwillig zurückgekehrt sind oder abgeschoben wurden, wußte Reiff nicht. Das Gericht habe eine Duldung beantragt, um die Einreise der Zeuginnen zu ermöglichen.

Ob sich die Frauen jedoch trauen, gegen ihre Peiniger auszusagen, ist zweifelhaft. Denn Zeugenschutz über die Hauptverhandlung hinaus, wie von der Fachkommission „Frauenhandel“ gefordert, gibt es nicht. Diese Forderung hält Reiff für „sehr bedenklich“: Das schaffe Anreiz, die Unwahrheit zu sagen. Reiff räumte jedoch ein, daß Prozesse gegen Frauenhändler ohne das „primäre Beweismittel“ – den Frauen als Hauptbelastungszeugen – „problematisch“ seien und viele Verfahren ohne Urteil enden. Barbara Bollwahn

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