: „Arbeitsbeschaffung für Heimverwaltungen“
■ Im Interview: Holger Detjen vom Paritätischen Wohlfahrtsverband Hamburg
taz: Pflege wird im wesentlichen als körperliche Grundversorgung definiert. Werden die Altenpflegeheime zur Verwahranstalt, in denen die Bewohner nur noch abgefüttert und gesäubert werden?
Holger Detjen: Im Leistungsspektrum der Pflegeversicherung sind neben der Grundpflege und der Behandlungspflege, wie man die medizinische Versorgung in den Heimen nennt, durchaus psychosoziale und soziokulturelle Aktivitäten vorgesehen. Je mehr Leistungen aber mit dem Pflegegeld bezahlt werden müssen, um so weniger bleibt für den einzelnen Bereich übrig.
Ich denke, es wird ein Normal- und ein Zusatzangebot geben, für das die Bewohner ein Entgelt entrichten müssen. Eine Begleitung ins Theater oder Extra-Wünsche beim Essen müßten vielleicht aus eigener Tasche bezahlt werden.
Es wird also zwei Klassen von Heimbewohnern geben: Die einen können sich Sonderleistungen erlauben und andere nicht?
Zunächst noch nicht. Denn es gibt eine Übergangsfrist bis zum 31. März 1997, in der die Heimentgelte auf dem jetzigen Niveau gehalten werden sollen. In der Pflegestufe eins gibt es 2000 Mark, in Stufe zwei 2500 und in Stufe drei 2800 Mark. Damit müßte das Angebot erhalten werden können. Für die Zeit danach sind noch keine Pflegesätze festgelegt.
Eine Senkung brächte aber für einen Großteil der alten Leute Verschlechterungen mit sich. Das ist aber alles noch Spekulation, wie so vieles, was über die Pflegeversicherung gesagt wird. Denn das Gesetz läßt noch viele Frage offen: Wie funktioniert eine Heimeinweisung überhaupt? Welche Prüfungen müssen vorher stattgefunden haben, damit ein Versicherter seinen Anspruch auf Pflegegeld nicht verliert? Wen können Heime überhaupt noch aufnehmen und zu welchem Entgelt, um wirtschaftlich zu sein?
Das klingt nach einem hohen Verwaltungsaufwand.
Das ist richtig. Pflegeversicherung ist ein Stück Arbeitsbeschaffung für die Heimverwaltung.
...aber auch für die Pflegekräfte.
Das würde ich aber nicht grundsätzlich kritisieren, weil eine Pflegeplanung und -dokumentation an sich sinnvoll ist. Wie sie aussehen soll, darüber läßt sich streiten.
Der Mehraufwand geht wieder auf Kosten der Pflege.
Das ist unbestritten.
Wie sinnvoll ist das Hamburger Landespflegegesetz?
Das Gesetz ist das Papier nicht wert, auf dem es geschrieben ist. Nur wenig wird darin geregelt und das auch noch sehr vage. Aussagen für den stationären Bereich sind immer an die Voraussetzung gebunden, daß die Haushaltsmittel verfügbar sind. Das bietet keine verläßliche Planungsgrundlage. Die 40 bis 50 Millionen Mark, die jetzt für Investitionen im stationären Bereich vorgesehen sind, entsprechen dem, was bisher ausschließlich in den Landesbetrieb „Pflegen und Wohnen“ floß. Jetzt soll diese Summe auf alle Einrichtungen verteilt werden.
Außerdem: Würde die Stadt die allgemeine Investitionsförderung aufstocken, könnten die Heimbewohner die Heimkosten auch über die Pflegeversicherung und den Eigenanteil finanzieren. Statt dessen verteilt sie lieber Almosen – denn nichts anderes ist die einkommensabhängige Einzelförderung.
Was müßte im Bundespflegegesetz verbessert werden?
Da weiß ich nicht, wo ich anfangen soll. Es ist aber eine schreiende Ungerechtigkeit, daß die ärztlich verordnete Behandlungspflege im Heim über die Pflegeversicherung abgerechnet werden soll und nicht über die Krankenkassen. Damit sind die Heimbewohner schlechter gestellt. Bei ambulanter Pflege wird das Pflegegeld nicht für medizinische Leistungen angetastet.
Fraglich ist auch, ob der Grundsatz 'ambulant vor stationär' sinnvoll ist. Denn viele alte Menschen leben zuhause völlig isoliert. Ich kenne Leute, die im Heim richtig aufgeblüht sind. Fragen:
Patricia Faller / Christoph Ruf
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