: Hilfe, ein Mann regiert Island
■ Die Frauenherrschaft ist vorbei. Auf dem Inselstaat wehen nach dem Ende des Kalten Krieges rauhere Winde
Stockholm (taz) – Islands Schulkinder müssen umlernen. Staatspräsident in ihrem Land kann auch ein Mann werden. Bislang herrschte, wie Schulaufsätze belegen, in den jüngeren Jahrgängen die feste Überzeugung vor, daß nur eine Frau diesen höchsten Posten im Lande innehaben könne. Kein Wunder nach 16 Jahren, in denen Vigdis das Land so unbestritten als geliebte Landesmutter repräsentierte, daß schon lange niemand mehr ihren Familiennamen Finnbogadóttir benutzte.
Olafur Ragnar Grimsson heißt der Mann, den sich die IsländerInnen am Samstag zum Nachfolger von Vigdis wählten, nachdem diese meinte, mit 65 Jahren sei es Zeit, sich mehr um die Reparatur ihres Fahrrads zu kümmern als um die der Politik. Mit Grimsson siegte ein Parlamentsabgeordneter, Staatswissenschaftsprofessor, ehemaliger Finanzminister und bis vor kurzem auch Vorsitzender der linkssozialistischen Volksallianz. Diese Wende weg von eher unpolitischen Kulturpersonen, die in den letzten Jahrzehnten auf dem PräsidentInnensessel in Island saßen, hin zu einem erprobten Politiker wird von Soziologen mit der wirtschaftlichen und politischen Unsicherheit auf Island erklärt. Dem Inselstaat seien buchstäblich die Fische weggeschwommen, und auch politisch sei die bisherige Rolle als „Flugzeugträger für die Nato“ überholt. Grimsson wird offenbar am ehesten zugetraut, in diesen Zeiten des Bedeutungsverlusts Island zu repräsentieren.
Doch der Linkspolitiker gefiel weiten Wirtschaftskreisen offenbar überhaupt nicht, wie eine Anzeigenkampagne gegen ihn in der größten Zeitung Morgunbladid in den letzten Tagen vor der Wahl bewies. Hier wurde versucht, mit jahrzehntealten, aus dem Zusammenhang gerissenen Zitaten von Grimsson Stimmung zu machen. Diese Hetzkampagne brachte ihm aber dann wohl eher noch zusätzliche Sympathie. Mit 42 Prozent der Stimmen konnte Grimsson einen überzeugenden Wahlsieg erzielen. Reinhard Wolff
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen