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Duden-Verleger rechnet mit einem Riesengeschäft

■ Abkommen für deutsche Rechtschreibreform tritt im August 1998 in Kraft

Freiburg (taz) – Ein zehnjähriger Streit ist entschieden. Gestern haben die VertreterInnen von Deutschland, Österreich und der Schweiz in Wien eine „gemeinsame Absichtserklärung“ für eine Reform der deutschen Rechtschreibung unterzeichnet.

Die neuen Rechtschreibregeln sollen in Deutschland ab 1. August 1998 per Erlaß eingeführt werden. Statt derzeit 212 Orthographievorschriften gibt es dann nur noch 112. Vor allem bei der Kommasetzung wurde abgespeckt. Von 52 Regeln bleiben ganze neun erhalten. Außerdem soll mehr getrennt als zusammen geschrieben werden, mehr groß als klein. Von den rund 12.000 Wörtern des Grundwortschatzes werden 185 anders geschrieben als bislang. Meist geht es darum, den Wortstamm auch bei Abwandlungen zur Geltung zu bringen. So soll etwa „belemmert“ künftig mit „ä“ geschrieben werden (von Lamm). Verbindlich ist die Rechtschreibreform nur in Schulen und Amtsstuben. Privat kann auch jedeR weiterhin schreiben, wie er oder sie es mag.

Doch auch im Schulunterricht und bei Prüfungen wird nicht von einem auf den anderen Tag umgestellt. Bis zum 31. Juli 2005 läuft eine siebenjährige Übergangsfrist. In dieser Zeit gelten die traditionellen Schreibweisen nicht als falsch. Für die Korrektur von Klassenarbeiten bedeutet das etwa: Die Abweichung wird nur als „überholt“ markiert, jedoch nicht als „Fehler“ gewertet. Einer Umfrage zufolge werden die ErstkläßlerInnen in acht von 16 Bundesländern bereits nach den diesjährigen Sommerferien das Schreiben nach den neuen Regeln erlernen. Damit soll den Kindern das Umlernen nach ein oder zwei Schuljahren erspart werden. Bayern und Bremen wollen sogar den jetzigen Abschlußklassen die neuen Regeln mit auf den Weg geben.

Die Umstellung auf neue Schulbücher soll nach Planung der Kultusministerkonferenz kostenneutral über die Bühne gehen. Probleme wird es vor allem für Kinder- und Jugendbuchverlage geben. Sie müssen ihr gesamtes Sortiment neu auflegen und die heute noch nicht verkauften Bücher verramschen.

Gute Geschäfte erwarten dagegen den Brockhaus-Verlag als Verleger des Duden. Die deutsche Rechtschreibbibel soll noch in diesem Sommer neu herauskommen. Ab dem Jahr 1998 wird die Mannheimer Dudenredaktion allerdings ihre quasi amtliche Stellung als „Sprachwächterin“ an eine zwölfköpfige Kommission von ExpertInnen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz verlieren. Christian Rath

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