piwik no script img

FDP demontiert sich selbst

■ Die Liberalen wollen keine Mehrparteienmitglieder wie Christian Specht

Die Selbstdemontage bei der FDP geht unaufhaltsam weiter. Denn Christian Specht, stadtbekannter Demonstrant und geliebt- gehaßter Querulant, erhielt gestern ein Schreiben vom Ortsverband Marienfelde-Lichtenrade, in dem er aufgefordert wird, seinen Austritt aus der FDP bis zum Monatsende zu erklären. Der Vorsitzende des Ortsverbandes, Hans Pravda, wirft ihm vor, auch bei der SPD, der PDS und den Bündnisgrünen Mitglied zu sein. Als „Quelle“ wird ein taz-Artikel vom November vergangenen Jahres zitiert, in dem Specht erklärt, als Mitglied dieser vier Parteien sowie deren jeweiligen Jugendorganisationen „der ideale Gesamtberliner Kandidat“ für die Wahl des Regierenden Bürgermeisters“ zu sein.

Pravda zitiert in seinem Schreiben Paragraph 3 der Landessatzung, die eine gleichzeitige Mitgliedschaft in der FDP und bei anderen Parteien ausschließt. „Sollten Sie also Mitglied einer anderen politischen Partei sein“, schreibt Pravda, „bittet Sie der Vorstand des Ortsverbandes, Ihren Austritt aus der FDP formlos schriftlich bis zum 31. Juli 1996 zu erklären.“ Kleiner Lacher am Rande ist ein Tippfehler bei dem Wort Mitgliedschaft. Durch ein fehlendes c wurde daraus „Mitgliedshaft“.

Als Christian Specht das Schreiben gestern erhielt, konnte er erst gar nichts damit anfangen. Denn die Alphabetkenntnisse des 27jährigen beschränken sich auf Buchstabenaneinanderreihungen wie PDS, FDP, SPD und CDU. Daß sich das auch bis zur FDP herumgesprochen hat, davon ist Christian ausgegangen, als er im Sommer letzten Jahres die FDP-Geschäftsstelle aufsuchte und mündlich darum bat, aus dem Computer gestrichen zu werden. „Das ist zu uns nicht vorgedrungen“, hieß es gestern aus der Geschäftsstelle.

Gestern nachmittag dann erreichte die Mitgliederzahl bei den Liberalen einen vorläufigen Tiefpunkt. Christian Specht ging aus Angst vor einem Ausschlußverfahren zur Geschäftsstelle und setzte seine Unterschrift unter das Austrittsformular. Jetzt ist er nur noch bei den Jusos, und die FDP zählt noch ganze 2.879 Mitglieder in Berlin. Barbara Bollwahn

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen