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"Erheblicher Kostenfaktor"

■ Leitung eines Flüchtlingsheimes versucht mit der Androhung der angeblichen Heimschließung die Bewohner des Hauses zum sparsamen Wasserverbrauch anzuhalten

Mit unlauteren Mitteln versucht die Leitung eines DRK-Flüchtlingsheims in Neukölln die Bewohner zum Wassersparen anzuhalten. „Das Landessozialamt zwingt uns alle, bis Ende Dezember 1996 unseren Wasserverbrauch zu reduzieren“, wird den 466 Kriegsflüchtlingen aus dem ehemaligen Jugoslawien und verschiedenen afrikanischen Ländern seit Anfang Juni auf einem Flugblatt mitgeteilt. „Wenn wir das nicht tun“, heißt es weiter, „kann es sein, daß unser Heim geschlossen wird. Ihr müßt dann in anderen Heimen wohnen, und wir brauchen einen neuen Arbeitsplatz.“

„Das ist eine Frechheit“, kommentiert Wolf-Rüdiger Westphal vom Landesamt für Zentrale Soziale Aufgaben das Papier. „Das ist nicht auf Maßnahmen von uns zurückzuführen.“ Für alle über einhundert Heime in der Stadt, die beim Landessozialamt unter Vertrag seien, gebe es einen Tagessatz von etwa 25 Mark pro Heimbewohner, der sich aus Investitions-, Betriebs- und Personalkosten errechne.

Es sei Sache der Betreiber, so Westphal, mit dem Tagessatz „auf die Reihe zu kommen“. Da sich dieser nicht geändert habe und der Vertrag für das Heim bis Ende nächsten Jahres laufe und keine Korrekturen zu erwarten seien, sei es Aufgabe der Heimleitung, für einen vernünftigen Umgang mit Wasser zu werben, meint Westphal. Es sei „unmöglich“, das „Versagen der Heimleitung gegenüber den Heimbewohnern mit dem Landessozialamt zu rechtfertigen“. Wenn der Wasserverbrauch im Heim zu hoch sei, müsse die Heimleitung „anders darauf hinwirken“, ihn zu senken.

Heimleiter Peter Blach begründet die Androhung einer Heimschließung mit dem „hohen Wasserverbrauch“ der Heimbewohner. Während der durchschnittliche Verbrauch bei 180 Litern pro Tag und Person liege, betrage der Verbrauch der Heimbewohner 240 Liter.

„Das ist ein erheblicher Kostenfaktor“, so der Heimleiter. „Unsere lieben Bewohnerchen haben Teppiche mit dem Schlauch gewaschen und tiefgekühlte Hähnchen unter warmem Wasser aufgetaut“, erläutert er. Auf die Frage, wieso das Landessozialamt als Buhmann genannt werde, antwortete Blach lapidar: „Wir wollten der Sache Nachdruck verleihen.“

Auf Aufkleber der Wasserwerke mit Aufrufen zum sparsamen Wasserverbrauch habe man nicht zurückgreifen können, weil die meisten Heimbewohner schließlich kein Deutsch könnten. Eine seltsame Begründung. Denn auch das Flugblatt ist – bis auf das Wörtchen „Achtung“ – in perfektem Deutsch geschrieben. Barbara Bollwahn

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