■ Mit Nachhaltigkeit auf du und du: Lob der Technik
Frankfurt am Main (taz) – „Sustainable Development ist für mich eine Zielvorstellung für ein Leben in Harmonie mit der Natur und mit unseren Mitmenschen in aller Welt.“ Ignacio Campino, Leiter der Zentralstelle Umweltschutz bei der Deutschen Telekom, kritisierte gestern auf dem „Forum Zukunft“ des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI) in Frankfurt sanft die anderen Referenten. Die Diskussion über nachhaltige Entwicklung verweile häufig bei technischen Aspekten. Dabei werde vergessen, daß die Ursache für die heutigen Zustände unsere Wertvorstellungen seien, die wiederum unsere Wirtschaftsweise bestimmten. Campino: „Nur mit einer großen intellektuellen Anstrengung sind wir in der Lage, unsere Wertvorstellungen und Wirtschaftsweise hinsichtlich der Auswirkungen auf die Natur zu reflektieren.“
Doch auch der Mann von der Telekom denkt bei der praktischen Umsetzung dieser „Zauberformel“ (VCI) zunächst an technische Innovationen im eigenen Laden: „Energiverbrauch und Materialeinsatz müssen reduziert werden.“ „Sustainability ohne Development gibt es ohnehin nicht“, hatte zuvor schon Reinhold Leitterstorf vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie konstatiert. Das eigentliche Zauberwort heiße deshalb „Innovation“. Da lag Leitterstorf ganz auf VCI-Linie: „Nur Konzepte, die statt Verzicht eine Neuorientierung bieten, taugen für die Zukunft.“ Wirkungsvollstes Instrument dabei seien die Innovationen von der Entwicklung der Gentechnik bis hin zum virtuellen Labor. Und Leitterstorf macht dafür (Steuer-)Gelder locker. Sustainable Development, gab dann noch der Vertreter der IG Chemie bekannt, müsse natürlich auch sozialverträglich sein: „Zum System gehört die Beteiligung von Beschäftigten und ihren Interessenvertretungen mit ihrem praktischen Wissen um betriebliche Abläufe.“
Vor einer Technikeuphorie in der Diskussion um nachhaltige Entwicklung hatten Kritiker bereits beim UNO-Umweltgipfel in Rio 1992 gewarnt. Neue Technologien und neue Produktionsverfahren könnten auch neue Probleme schaffen und davon ablenken, daß grundlegende Verhaltensänderungen zur globalen Umsteuerung notwendig seien. Hans Mohr, Vorstandsmitglied der Akademie für Technikfolgeabschätzungen in Baden-Württemberg, setzte gestern dagegen: Der Wohlstand müsse im Interesse der Nachhaltigkeit erhalten bleiben. Denn: „Wer ums ökonomische Überleben kämpft, hat kein Interesse an Langzeitstrategien.“ kpk
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