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Demonstranten sind wie Falschparker

■ Dannenberger Amtsrichter urteilt milde. Landesregierung in Hannover soll dagegen harte Strafen gefordert haben

Hannover (taz) – Genau zehn Mark Bußgeld für die Teilnahme an einer verbotenen Demonstration – diese Strafe hat ein Dannenberger Amtsrichter Thomas Stark nun schon viermal gegen Atomgegner verhängt. Vor mehr als einem Jahr hatten sie trotz Demo- Verbots gegen den ersten Gorleben-Castor protestiert. Stark, der manchmal auch einstellte und jetzt noch über 87 gleichgeartete Fälle zu urteilen hat, stufte die ordnungswidrigen Meinungsäußerung der Castor-Gegner als „Aufenthalt an einem verbotenen Ort ein“. Ihr Verhalten sei in etwa dem des Falschparkers gleichzusetzen, der sein Fahrzeug ordnungswidrig an einem Ort abstellt, wo dies verboten ist, so der Richter. Aus guten Gründen reduzierte er dann die einem Falschparker heutzutage drohende Buße noch einmal: In erster Instanz hatte das Verwaltungsgericht Lüneburg das Demonstrationsverbot beim ersten Castor- Transport im April 1995 für rechtwidrig erklärt. Dagegen wurde Beschwerde eingelegt. Bis heute ist unklar, ob die Atomgegner sich überhaupt einer Ordnungswidrigkeit schuldig gemacht haben.

In den vier bisher abgeschlossenen Verfahren hat Richter Stark dem Land auch 95 Prozent der Verfahrenskosten auferlegt. Schließlich hatte die Staatsanwaltschaft zunächst immer Bußgelder in Höhe von 400 Mark gefordert.

Gegen die Höhe der Bußgelder und auch gegen die Kostenentscheidungen hat die Lüneburger Staatsanwaltschaft inzwischen Beschwerde beim Oberlandesgericht Celle eingelegt. In einer der Verhandlungen sprach die Staatswaltschaft davon, aufgrund einer Anweisung des Justizministeriums in Hannover dürfe man die Verfahren nicht wegen Geringfügigkeit einstellen. Das Justizministerium, von dem der niedersächische Innenminister immer wieder harte Strafen gegen die Castor-Gegner fordert, dementierte postwendend – genauso wie die Lüneburger Staatsanwaltschaft.

Bei den Verfahren wegen des zweiten Castor-Transports soll nun die geforderte Härte gezeigt werden. Insgesamt 450 Ermittlungsverfahren zählt die Lüneburger Staatsanwaltschaft wegen der Ereignisse rund um den zweiten Transport am 8. Mai dieses Jahres. Meist wird wegen Landfriedensbruchs ermittelt. Zehn Verfahren mit einfacherer Beweislage, in denen es allerdings um Blockaden, also lediglich um Nötigung geht, sind bereits mit Geldbußen bis zu 1.000 Mark abgeschlossen. Neun der in Lüneburg geführten Ermittlungsverfahren richten sich gegen Polizeibeamte, die sich vor allem der Körperverletzung im Amt schuldig gemacht haben sollen.

Bei einer Anklage wegen Landfriedensbruchs drohen auch Haftstrafen, die allerdings in der ganzen, beinahe 20jährigen Geschichte des Gorleben-Widerstands noch nie gegen Atomgegner aus dem Wendland verhängt wurden. Der Ermittlungsausschuß der wendländischen Atomgegner sieht den Verfahren denn auch gelassen entgegen. Jürgen Voges

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