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„Den Laden zusammenhalten“

■ Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Anke Fuchs zur Ökosteuer

Anfang Februar haben der SPD- Vorsitzende Oskar Lafontaine und der Chef der IG Chemie, Hubertus Schmoldt, eine gemeinsame Erklärung zur Ökosteuer abgegeben. Darin heißt es: Ökosteuer ja. Aber nur für die Konsumenten. Die Prozeßenergie bei Unternehmen soll freigestellt werden. Nur wenige Tage später erklärte der Umwelt- sprecher der SPD, Michael Müller: „Eine völlige Freistellung der Industrie kommt für die SPD nicht in Frage.“

taz: Die Bündnisgrünen haben ein Papier zur Ökosteuer vorgelegt, wonach auch die Industrie zur Kasse gebeten wird. Die SPD will die Prozeßenergie von der Besteuerung ausnehmen. Warum?

Anke Fuchs: In unser „Urprogramm“ haben wir reingeschrieben, daß die Energieverteuerung auch die Wirtschaft treffen soll. In unserem Papier „Zukunft sichern – Zusammenhalt stärken“ vom April 1996 haben wir die Prozeßenergie herausgenommen, um das Projekt Ökosteuern als Ganzes nicht zu gefährden. Unsere jetzige Beschlußlage ist ein Angebot für die Wirtschaft, über dieses Thema im Gespräch zu bleiben.

Die Herausnahme der Prozeßenergie ist also rein taktisch?

Für mich wäre eine Belastung der Industrie ehrlicher, aber wir müssen den Laden zusammenhalten, um dieses so wichtige Projekt, Ökosteuern voranzutreiben.

Hält der Laden denn tatsächlich zusammen? Michael Müller, Ihr Umweltsprecher, hat erst vor kurzem erklärt: „Eine völlige Freistellung der Industrie kommt für die SPD nicht in Frage.“

Das hat aber keine Wellen geschlagen. Ich denke, zumindest die Fraktion ist sich einig, die Öko- steuer voranzutreiben. Jetzt kommt die Partei dran. Wir müssen zum Beispiel sagen: „Lieber Wolfgang Clement, du kannst auch dafür sein, wir haben ja die Prozeßenergie rausgelassen.“

Glauben Sie, daß die Öko- steuer in absehbarer Zeit kommt?

Ich habe den Eindruck, in Europa gibt es bereits einen breiten Konsens. Ich habe viele Signale erhalten: Euer Modell ist akzeptabel. Wenn eure Regierung mitgemacht hätte, wären wir weiter. Die CDU ist ja mittlerweile zum großen Teil dafür, aber der Bundeskanzler blockiert. Und was die FDP betrifft: Der Fraktionsvorsitzende, Herr Solms, hat mich zunächst für unsere Vorstellungen zur Öko- steuer beschimpft und dann im Bundestag gelobt.

Läßt sich die SPD jetzt nicht von den Bündnisgrünen die Butter vom Brot nehmen, die die aufkommensneutrale Besteuerung der Unternehmen fordern?

Die Grünen haben dieselbe Einschätzung, die wir auch haben. Sie bewegen sich endlich auf uns

zu ...

Hä ...?

Indem die Grünen sagen: Die Industrie soll Anpassungshilfen bekommen, begeben sie sich auf einen vernünftigen Weg. Die Grünen hatten doch bisher nie ein wirklich machbares formuliertes Programm. Die fünf Mark Benzinpreis pro Liter, die im Raum standen, waren doch nur abschreckend. Das war mehr ein Gespenst als ein Reformprojekt. Auch die Grünen müssen die Menschen mitnehmen. Das versuchen sie jetzt offenbar.

Die Bündnisgrünen gehen aber weiter als die SPD. Setzt die SPD etwa auf die Selbstverpflichtung der Industrie, Energie zu sparen?

Mein sozialdemokratisches Herz ist gegen Selbstverpflichtungen. Denn meistens hält sich die Industrie nicht daran. Ich bin daher für Kontrollen. Ein Ordnungsrahmen ist notwendig.

Also Industriebesteuerung?

Wie gesagt: Wir dürfen die Industrie nicht vergraulen, müssen sie aber im Auge behalten. Interview: Markus Franz

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