: Spex für Verrückte
■ Im Zentrum steht der Fan: Total Football ist die bestmögliche Fußball-Zeitschrift
Was man den Engländern lassen muß: Sie haben das Schreiben über Fußball revolutioniert, und zwar auf allen Ebenen. Fanzines erschienen zuallererst in den achtziger Jahren in Großbritannien – und sind aus der heutigen Fußball- Rezeption nicht mehr wegzudenken. Weitgehend unbekannt ist noch, daß sich im Laufe des letzten Jahres in England ein neuartiger Magazinjournalismus etabliert hat. Hochglanzzeitschriften wie FourFourTwo oder Goal schreiben auf radikal subjektive, manchmal subversive und meistens sehr lustige Weise über Fußball, und es ist unverkennbar, daß sie vom Stil der Fanzines beeinflußt sind.
Das beste aller Monatsblätter ist Total Football – und das nicht nur, weil dessen Verlag angesichts des erbitterten Konkurrenzkampfes jede Ausgabe mit einer kostenlosen Dreingabe ausstattet, etwa einem zum Niederknien schönen Fotoheft über die Höhepunkte der englischen FA-Cup-Geschichte.
Total Football wirkt, als hätten sich Redakteure von Spex und dem verblichenen Tempo zusammengetan, um eine Zeitschrift für Fußballverrückte herauszubringen.
Daß die Macher keine Angst haben, sich unbeliebt zu machen, zeigten sie in den ersten Heften mit der Serie „Why we all love to hate ...“, die den verhaßtesten Vereinen Großbritanniens gewidmet war, also Arsenal, Manchester United und Glasgow Rangers.
Total Football ist 100 Seiten stark und sehr kleinteilig aufgebaut, es wimmelt von Listen, Kästen und Mini-Rubriken, doch während andere Zeitschriften diese selten mit anregendem Inhalt füllen, glänzt die in der Fußball- Provinz Bath, Avon angesiedelte Redaktion Monat für Monat mit neuen bizarren Einfällen. So stellt sie unter dem Titel „First Elevens“ in jedem Heft zwei Phantasieteams zusammen: Elf Väter von derzeit aktiven Kickern treffen auf ihre Söhne (Dads United gegen Sons City) und ein Team von Spielern, die beim Fußball gestorben sind, auf solche, die in ihrem ersten Ligaspiel für Furore sorgten (Stiffs United gegen Debut City).
Die Listen in Total Football geben unter anderem Aufschluß darüber, wer die zehn schlechtesten Flutlichtanlagen hat und welche Klubs die blödesten Spitznamen. Und unter einem Bericht, in dem wir erfahren, daß Newcastles Faustino Asprilla mutmaßlich 26.000 Pfund pro Woche verdient, findet sich eine Liste mit „zehn Dingen, für die man 26.000 Pfund ausgeben kann“, zum Beispiel 520 Gramm Kokain oder 1.733 Flaschen Bourbon. Belanglos? Na klar, aber angenehm belanglos!
Die Titelgeschichte in Total Football ist grundsätzlich ein Interview mit einem jungen Protagonisten der Premier League, aber im Mittelpunkt der Berichterstattung steht der Fan. So hat das Blatt unlängst die sechs beklopptesten Freaks ausfindig gemacht, darunter einen Kerl, der in jedem Stadion die Fleischpasteten testet und seine Ergebnisse noch vor Ort in einem Notizbuch vermerkt.
Den Höhepunkt in der Geschichte von Total Football markiert die sogenannte „hardman issue“. Hier würdigt das Magazin – fernab von jeglichem Fair-play- Gequatsche – die härtesten Spieler, die brutalsten Teams und die scheußlichsten Fouls aller Zeiten. Auch wer die Zeitschrift bereits zu kennen glaubt, wird gelegentlich überrascht, zum Beispiel durch den immer stärker durchgeknallten Rezensionsteil. Da wird auch schon mal eine fußballförmige Computermaus besprochen, nebst einem Mouse Pad mit aufgezeichneten Spielfeld. Die Maus selbst bekam zwar nur drei von fünf möglichen Punkten. Aber dafür wurde das Mouse Pad als „fantastisch“ eingestuft. René Martens
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