: Wo Bio draufsteht, ist oft kein Bio drin
■ Immer mehr Supermärkte richten eine Ecke mit Bioprodukten ein. Mit geschickten Marketingstrategien werden vor allem Gelegenheitskäufer getäuscht
Berlin (taz) – Die Zwillinge „Bio“ und „Öko“ liegen voll im Trend. Auch den großen Ladenketten ist das nicht verborgen geblieben. Die Bioecke gehört in vielen Supermärkten mittlerweile zum Angebot. Neben seriösen Öko-Handelsmarken tummelt sich, mit einfallsreichen, naturnahen Symbolen verziert, so manches zweifelhafte Müsli in dieser gewinnträchtigen Marktnische. „Zum Schutz unserer Natur“ oder „Unserer Gesundheit zuliebe“ gehören zu den zahllosen Losungsworten, die Pseudo-Bios den Weg aus der grauen Warenmasse in die lukrativen Öko-Regale ebnen. Da nur weniger als zwei Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche in Deutschland ökologisch bewirtschaftet werden, stellt sich – auch unter Berücksichtigung der Importe – die Frage: Wo soll die Masse der angebotenen „Bioerzeugnisse“ herkommen?
Um ein echtes Bioprodukt zu erzeugen, müssen die Bauern einen steinigen Weg zurücklegen. Gärtnermeister Christian Hiss aus Eichstetten am badischen Kaiserstuhl ist Mitglied beim Demeter- Verband für ökologischen Landbau und erzeugt seit vielen Jahren schwerpunktmäßig Biogemüse. „Wir verzichten auf Höchsterträge, um eine umweltgerechte Produktion von möglichst hochwertigen und schadstoffarmen Lebensmitteln zu gewährleisten“, betont der Öko-Bauer. Chemische Pflanzenschutz- und Düngemittel sind tabu. Drei Jahre und länger dauert die Umstellung ehemals konventionell bewirtschafteter Felder. Regelmäßige Kontrollen und stichprobenhafte Inspektionen sorgen für die Einhaltung der ökologischen Anbaubedingungen.
Die strengen Richtlinien in der ökologischen Produktion decken sich allerdings selten mit dem Angebot, dem der Verbraucher in den Bioregalen gegenübersteht. Bio oder Pseudo-Bio? „In der aufwendig gestalteten Bioecke von Supermärkten ist dies den meisten Verbrauchern kaum mehr eine Frage wert“, stellt die Ernährungsberaterin Bettina Eckart von der Verbraucherzentrale Freiburg fest.
Dabei wäre genau diese Frage äußerst notwendig. „Verpackungen täuschen Konsumenten häufig, wenn in unklarer Weise Umweltbegriffe verwendet werden“, bestätigt Dr. Manon Haccius von der Arbeitsgemeinschaft Ökologischer Landbau (AGÖL), wo eine Koordinationsstelle für irreführende Biokennzeichnung geschaffen wurde. Auch Farben und Bilder würden zum Gesamteindruck der KonsumentInnen beitragen und sollten beim Einkauf kritisch hinterfragt werden.
Während Werbefachleute immer einfallsreicher an Pseudo-Bios basteln, ackern die Biobauern schwer, um die umweltgerechte Bearbeitung ihrer Felder sicherzustellen. Wochen- und monatelanges Unkrautjähten und das erhöhte Risiko von Ernteausfällen prägen die Produktionsbedingungen im ökologischen Landbau. „Der hohe Arbeitsaufwand und die geringeren Erträge spiegeln sich in einem höheren Preis unserer Produkte wider“, sagt Hiss. Die ökologische Qualität sei das Argument, mit dem diese Preise gegenüber dem umwelt- und gesundheitsbewußten Verbraucher gerechtfertigt werden. Wenn Pseudo-Bios diesen Qualitätsunterschied jedoch durch geschickte Marketingstrategien verwischen, wo bleiben dann die Bauern mit echten Bioerzeugnissen?
Die seit 1993 gültige EU-Bio- Kennzeichnungsverordnung schützt auf Verpackungen und Werbetafeln für pflanzliche Erzeugnisse lediglich Begriffe wie „ökologisch“ und „biologisch“. Ähnliche Bezeichnungen, die dem Verbraucher ein Bioprodukt vorgaukeln, sind frei verwendbar. Die Verordnung gibt immerhin eine Definition für die mit den geschützten Begriffen gekennzeichneten Waren: Mindestens 95 Prozent der Zutaten solcher Produkte müssen aus ökologischem Anbau stammen. Wenn nur zwischen 70 und 95 Prozent ökologisch erzeugt wurden, muß der genaue Anteil auf der Verpackung angegeben werden. Liegt der Anteil der biologisch angebauten Bestandteile zwischen 50 und 70 Prozent, darf der Hersteller lediglich in der Zutatenliste darauf aufmerksam machen. Kommen weniger als die Hälfte der Zutaten aus ökologischer Erzeugung, ist jeder Hinweis auf biologischen Anbau verboten.
Verbraucherverbände bezeichnen die oft verwendeten Öko-Synonyme als geschicktes Marketing, mit dem der Gelegenheitskäufer von Bioprodukten übertölpelt wird, und raten zu kritischem Einkauf. Christian Hiss sieht darin das zentrale Problem: „In Deutschland ist man seit Jahrzehnten Handelsklassen gewohnt, die nur etwas über optische Qualitäten aussagen“, klagt der Biobauer. „Wirklich kritisch betrachtet der klassische Verbraucher deshalb nur, ob eine Tomate ein schönes Rot und eine makellose Haut hat.“ Und die Pseudo-Bios sind auf den Maskenball im Öko-Regal chemisch gut vorbereitet: Ihr Outfit stimmt. Michael Obert
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