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Hamlet goes Edel-Pulp

■ „Darling, du versaust mir den Abend“ (stimmte gar nicht!) – In Meiers Schönem Fleischsalon lasen HdK-SchauspielerInnen Minidramen von HdK-StudentInnen

Gerettet! Sie sind gerettet. Ein Jubeln geht durch die Reihen: Die DichterInnen müssen also auch künftig nicht vom Himmel fallen, und die sieben „virtuellen“ StudentInnen dürfen ihren Status wechseln und gelten nun als regulär Studierende des Fachs „Szenisches Schreiben“ an der Hochschule der Künste. Sie waren noch vor den verordneten Sparmaßnahmen unter 60 BewerberInnen ausgewählt worden, immatrikulieren konnten sie sich dann, als die Zukunft des Studienganges auf dem Spiel stand, jedoch nicht mehr.

„Wir dürfen weiterlernen“, frohlockte nun ein Student des 5. Semesters von der Bühne herunter. Vorausgesetzt allerdings, daß Kultur- und Wissenschaftssenator Radunski samt den Senatsmitgliedern der Stadt Berlin den Vorschlägen der Hochschulseite folgen wird. Nach zähen Verhandlungen um den geforderten Stellenabbau beließ der Akademische Senat der Hochschule dem vierjährigen Studiengang anderthalb von vier Plan-Lehrstellen. Was sich nach Radikalkürzung zu Lasten der Qualität anhört, kommt undercover halb so drastisch daher: Von den vier festen Lehrstellen waren bislang nur zwei besetzt, da sich der Studiengang bis 1995 in der Testphase befunden hatte. Die zwei unbesetzten Stellen indes waren, wie auch immer, im Plangestrüpp des Fachbereichs verschollen und schließlich „vergessen“ worden.

Die Freude also ist groß, „doch die Nächte der langen Messer sind noch nicht vorbei“, warnt der Dozent für „Analytische Dramaturgie“, Jürgen Hofmann. Seit dem Sparbeschluß weht ein scharfer Wind in den HdK-Gemäuern. Vielleicht war das der Grund, warum die Studierenden des Faches „Szenisches Schreiben“ Obdach in der Lehrter Kulturfabrik gesucht haben. „Darling, du versaust mir den Abend“ verhieß der Titel, doch es kam anders. Quasi als Demonstration ihrer Legitimität gaben sie sieben szenische Kostproben in Meiers Schönem Fleischsalon. Verbalsäbel, Wortbrocken und Satzmenüs, serviert von den HdK-KollegInnen aus dem Schauspielfach.

Einer der ersten Texte war so, wie man sich das Minidrama eines Schreib-Studenten auch vorstellen würde: In kaum fünf Minuten wurden all die großen Themen der Menschheit und besonders der Junggeneration abgehandelt. Liebe, Tod, Gott, das Urvertrauen, die Einsamkeit, Schwulsein und das Problem mit der Umwelt. Ein nicht untalentierter Versuch von Alexander Pfeuffer, aber eindeutig überfrachtet.

Die folgenden Texte allerdings waren thematisch konzentrierter. Doch kaum weniger vom Zeitgeist beseelt. Anne-Kathrin Schulz etwa beschreibt in einem Dialog respektive Monolog die Bewußtseinsspaltung einer Frau, ohne wirklich einen besonderen Zugang zum Phänomen zu bieten. Anne-Jelena Schulte hingegen analysiert in ihrem monologisierenden Dialog das unvermeidliche Geschlechterverhältnis auf ganz eigene Weise. „Mo und Mimi“ sind amüsante Klischeewesen – sie mit einem Putzfimmel, er ein gammliger Faulpelz – und doch so originell verdreht, daß sich das Klischee ununterbrochen selbst konterkariert, die Machtverhältnisse kippen und unsere Sympathie permanent pendelt.

Rotierend, durchgeknallt, spannend und vielleicht auch radikal modisch der Abschluß und Höhepunkt: „Papi ist tot“ von Marius von Mayenburg. Von Mayenburg (bitte speichern!) entpuppt sich als wahrer Theater-Tarantino, der den Klassiker mit den Absurden, dem Splatter-Kino und dem Märchen bekannt macht, welch Vergnügen! Hamlet goes Edel-Pulp, stilsicher und wortgewandt. So lass' ich mir gern den Abend versauen. Petra Brändle

PS: Aufgrund des Erfolgs und des eigenen Spaßanteils überlegen sich die HdKler, uns weitere Abende zu versauen.

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