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Die Katastrophe von München

■ Das Geheimnis um das Olympia-Attentat, 21.45 Uhr, ARD

Wann immer sich Fernsehautor Wilfried Huismann eines Themas annimmt, darf man erwarten, daß am Ende seiner akribischen Recherchen eine spannende Reportage steht. Das ist auch bei seinem neuen Film so, der die Ungereimtheiten um das Münchener Olympia-Attentat von 1972 untersucht.

In den Morgenstunden des 5. September drangen acht Palästinenser ungehindert in das Olympische Dorf ein, kidnappten elf israelische Sportler und forderten die Freilassung von 234 Gefangenen aus israelischen Gefängnissen. Als die Regierung in Tel Aviv die Forderungen kategorisch ablehnte, forderten die Kidnapper, mit ihren Geiseln nach Kairo ausgeflogen zu werden. Die Aktion endete nach 21 Stunden mit 17 Toten. Darunter alle elf Geiseln.

Mit Hilfe von Archivmaterial und Zeitzeugen wie dem früheren bayerischen Innenminister Bruno Merk und dem damaligen Einsatzleiter Georg Wolf (Genscher, als Innenminister damals Leiter des Krisenstabes, wollte sich dazu nicht äußern), zeichnet Huismann den katastrophalen Polizeieinsatz nach.

Da wurde ein Sturmkommando erst gar nicht mit zum Flughafen genommen, sondern am Olympischen Dorf zurückgelassen. Als es später doch noch angefordert wurde, blieben die Autos im Stau stecken. Polizisten, die als Lufthansa-Angestellte verkleidet, die Terroristen überrumpeln sollten, ergriffen kurzerhand die Flucht. Und die fünf Scharfschützen, die durch ihre Schüsse die fatale Eskalation provozierten, hatten weder Nachtsichtgeräte noch Verbindung zur Einsatzleitung.

Spannender als das Pannenszenario ist jedoch Huismanns Rekonstruktion der politischen Verhandlungen zwischen Bonn und Tel Aviv an jenem Tag, die den Polizeieinsatz erst erforderlich machten. Danach war Willy Brandt seinerzeit durchaus bereit, die Terroristen ausfliegen zu lassen, beugte sich jedoch dem „Nein!“ von Ministerpräsidentin Golda Meir. Dabei wären die Überlebenschancen für die Geiseln bei einem Ausfliegen groß gewesen. Das erklären zumindest sowohl Sedqi Aziz, ehemaliger ägyptischer Ministerpräsident, als auch Jamal Chashi, der letzte heute noch lebende Kidnapper von München, der hier erstmals seine Erinnerungen an 1972 schildert. Reinhard Lüke

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