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Als Party-Tester unterwegs Von Wiglaf Droste

Der Samstag abend begann vielversprechend: Bruder Finn kam vorbei und schenkte mir einen Pürierstab. Sogleich brachte ich das Gerät zum Einsatz, um einige Nudeln mit einer schicken Tunke zu versehen: 1 kg Tomaten (nicht die trittfeste Sorte), 4 Zehen Knoblauch, 1 Zwiebel, 1 Döschen Kapern, 1 Schachtel Thunfisch und 100 g entkernte Oliven kurz und klein pürieren, mit reichlich Rotwein, grünem Pfeffer und Salz abschmecken und schön lange einköcheln lassen. Mjamm!

In der Wartezeit lösten wir – wenn auch zunächst nur theoretisch – ein dringendes Menschheitsproblem: Hämorrhoiden. Diese quälenden Kameraden würden in unserer Pürierstab-Klinik keine Chance mehr haben. Ein Knopfdruck, und – dschmmh! – wäre die Sache aus der Welt. Das Geld für die Klinik würden wir uns mit einem Arztroman verdienen: „Hämo – das geduldige Fleisch“.

Nach dem Spachteln kam das Wannenbad: Wir suhlten uns in Melisse und Eukalyptus, machten unsere Ex-Astralleiber mit Franz Branntwein, Arnika und Melkfett geschmeidig, legten nach der Rasur ordentlich Duft auf, und in dem schönen Bewußtsein, wahrhaft würzige Männer zu sein, stiefelten wir los.

Der Plan hieß: Parties vergleichen. Bei der ersten würden wir als 35- bzw. 32jährige zum Alteisen gehören, auf der zweiten in diesem Alter aber zu den Benjaminen zählen. Unterwegs wollte sich der zufällig des Wegs kommende Freund Stein an unsere hochinteressante Unternehmung anflanschen, wurde aber mit einem „schon zu betrunken“ abschlägig beschieden.

Party 1 quälte mit dem „Killing Me Softly“-Cover der Fugees, ansonsten saßen diverse junge, recht ansprechend aussehende Damen um die 22 herum, die allesamt aus Marburg stammten, demzufolge studierten und in einer Weise über Männer sprachen, wie ich das zuletzt 1980 auf einer Familienfeier bei meiner Omma gehört hatte. Einer der schnieken Jungs, der zu enge Lederhosen und eine Baseballkappe mit dem Schirm nach hinten trug, schien den Damen deshalb diskussionswürdig; ein Dreadlockträger stellte sich als „Ich bin der Sick“ vor, was man ihm augenblicklich glaubte. „Riecht wie'n Teppich, der naß geworden ist, meinte Bruder Finn.

Party 2 bot „Lola“ von den Kinks und „Don't Let Me Be Misunderstood“; immerhin waren die Getränke gepflegter als bei den Jungmenschinnen, und auch getanzt wurde wesentlich kompetenter. Die Bemühungen einiger Besucher allerdings, die übrigen Gäste über den Stand ihrer Karrieren zu informieren, trieben uns wieder zu Party 1 zurück.

Dort wrang man mittlerweile die letzten Tropfen aus den Flaschen. Also wurde die Party ausgelagert; mit einer ausgesuchten Schar junger Marburgerinnen im Gepäck, ging es der freien Wildbahn, dem Sonnenaufgang und einem Frühlokal entgegen. Und während wir draußen auf der Straße den ersten Alkohol des anbrechenden Tages schlürften, kam plötzlich Freund Stein natternstramm um die Ecke geschlingert. „Mensch, Wigi, alte Fotze, wo hast du denn die ganzen Mädels her?“ rief er aufgeräumt; die studierenden Marburgerinnen wurden schlagartig blaß.

Noch nie habe ich das Berliner Proletariat so liebgehabt wie an diesem Morgen.

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