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Guido zum Wörthersee!

„Der schöne Schein“, Sonntag, 22.05 Uhr, ZDF

Offenbar hat Guido Knopp, der Mann für die Zweite Deutsche Geschichte, gemerkt, daß es nicht so ganz schicklich ist, sich in alleiniger Herrlichkeit als Conférencier eines Films ans Portal des Berliner Olympiastadions zu stellen. Deswegen stand ihm ZDF-Sportreporter Wolf-Dieter Poschmann zur Seite, von dem man später nichts mehr sah und hörte.

Die Olympischen Spiele in Atlanta werden demnächst eröffnet. Vor genau 50 Jahren fanden die etwas anderen Spiele in Berlin statt. Ein prächtiger, allzu prächtiger Anlaß zur Erinnerung an den „Mißbrauch“ des Sportes durch die Nazis. Doch wenn man den Namen Knopp als Autor des Films liest, möchte man am liebsten seinen Bildschirm mit schwarzer Plakafarbe zumalen oder gleich den Apparat beerdigen wie einst Wolf Vostell.

Wider Erwarten war „Der schöne Schein“ jedoch ein straffer, gut recherchierter Film, der sich in 45 Minuten an einer Vielzahl von Themen und Aspekten abarbeitete. Um Leni Riefenstahls Olympiafilm ging es nur am Rande. Die Interviewbrocken mit der NS-Chefdesignerin wirkten zudem wie Auskopplungen aus Ray Müllers zweiteiligem Dokumentarfilm. Neben den hinlänglich bekannten Aspekten wie den Goldmedaillen für den schwarzen US- Athleten Jesse Owens, die dem Führer nicht behagten, bemühte sich der Film, die grausige Wirklichkeit hinter den Kulissen zu thematisieren.

So waren die deutschen Truppen, die in Spanien Francos Putschisten unterstützten, in einer Kaserne stationiert, die später das olympische Dorf beherbergte. Deutsche Athleten wurden vom Sportgeneral von Taschammer gedrillt. Der einstige Sportreporter und Zeitzeuge Hans Borgelt gesteht im Interview einen „gehemmten Stil“ und die „Schere im Kopf“. Sogar Berliner Juden trauten dem gespenstischen Frieden, der um die Spiele von 1936 inszeniert wurde.

Als „bislang unveröffentlicht“ bezeichnetes Filmmaterial zeigt einen aufgeregten Hitler im Stadion – mit wild wackelndem Oberkörper wie ein Alzheimerkandidat. Für die Blicke hinter die Kulissen und die politisch sportlichen Zusammenhänge des Films zeichnet Christian Deick (Buch und Regie) verantwortlich; für Dokumentation und Recherche Ricarda Schlosshan.

Und Guido Knopp sinnierte zwischendrin darüber, „wie man eine Welt verführt, wenn sie es zuläßt“. Manfred Riepe

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