: Der Gedächtniskünstler
■ betr.: Jochen Gerz
Für Jochen Gerz (Jg. 1940) fügt sich die Kunst der Erinnerung zur Schrift. Seit 1969 beschäftigt sich der in Paris lebende Konzeptkünstler mit der Übersetzung von Wirklichkeit und Geschichte, ohne sie auf konventionelle Weise abzubilden – „die schönsten Bilder sind unsichtbar“, wie er in einer zumal stummen Klanginstallation 1975 an die Wand schrieb. Statt dessen nutzt er Text als Medium, seit 1986 im Zusammenspiel mit dem öffentlichen Raum. Für das gemeinsam mit seiner Frau Esther Shalev-Gerz errichtete „Monument gegen den Faschismus“ wurde eine zwölf Meter hohe Säule in Hamburg errichtet, an der die Bevölkerung Kommentare in das weiche Blei ritzen konnte, bevor die Skulptur im Boden versenkt wurde. In Saarbrücken ließ das Ehepaar Gerz vor einem Jahr 2.146 Steine mit den 1933 noch existierenden jüdischen Friedhöfen beschriften. Dann wurden die Namen mit der Prägung nach unten in das Kopfsteinpflaster vor dem Parlament eingelassen. Zuletzt ließ er die Bremer Bevölkerung über Sinn und Nutzen von Kunst im öffentlichen Raum nachdenken. Das Ergebnis der „Bremer Befragung“: Eine Glasplatte voll Text, installiert an der Weserbrücke. Am Wettbewerb für die Gestaltung des Holocaust- Denkmals in Berlin wollte sich der Gedächtniskünstler Gerz trotz seiner präzisen Erkundungen deutscher Geschichte nicht beteiligen, wie er im Interview (taz, 11. 04. 1995) sagte: „Man kann nicht alles an Objekte delegieren.“ hf Foto: Allamoda
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