: „Ich war ja überfällig“
■ Neun Brüche in drei Tagen – der klitzekleine „Schrecken der Neustadt“ vor Gericht
In der Bremer Neustadt lebt es sich gefährlich – jedenfalls wenn „Peter Theo“ unterwegs ist. Eines schönen Frühlungstages, der Kalender zeigt den 23.3.1996 an, die Uhr 10.30: Die Haustür in der Neuländerstraße 16 wird gewaltsam aufgebrochen. 10.40 Uhr: Neuenländerstraße 22 ist dran. Peter Theo versucht, den Windfang mit einer Scheckkarte zu öffnen. Durch den Keller kommt er schließlich rein, stößt auf zwei Gardinenstangen – nimmt sie mit. 13.15 versucht er das Dachfenster in der Lagemarckstraße 32 zu öffnen. Er wird gestört, droht mit einer Gaspistole.
13.25 Uhr, die Kellertür ein paar Häuser weiter knackt. Die Diebestour geht zu Ende, es war „ein recht ereignisreicher Tag“, formulierte Amtsrichter Hans-Joachim Gerboth gestern suffisant, wo der kleine kriminelle Held auf der Büßerbank saß. Peter Theo muß damals echt sauer gewesen sein: „Ihr seid alles Schweine, Homos, Arschficker, Fotzen“, habe er gesagt, steht im Polizeiprotokoll. Und gespuckt und Schläge angedroht und daß er die Angehörigen der Polizeibeamten vergewaltigen und töten werde. Die Polizei notiert alles und läßt den 24jährigen Mann schließlich laufen.
Tags darauf, 10.30 Uhr, gehts weiter: Neuenlander Straße in der Höhe der Hausnummer 28 macht sich Peter Theo mit einem Schraubenzieher an einem Auto zu schaffen. An demselben Tag nachmittags gegen 17.45 will Peter Theo aus einem Keller in der Duckwitzstraße aussteigen, ausgerechnet durch den Lüftungsschacht. Er bleibt im Rost hängen – bis die Polizei ihn befreit. Und wieder laufen läßt. Abends trifft ihn die Polizei mit einem Fahrrad an, dessen zwei Schlösser nachmittags in der Feldstraße geknackt worden waren.
Als Peter Theo dann am 25.3. wieder mit einer Telefonkarte eine Eingangstür öffnen will und wieder erwischt wird, ist die Geduld der Polizei am Ende und beantragt einen Haftbefehl.
Peter Theo erinnert sich: „Ich hatte einen totalen Filmriß. Die Drogen hatten mich total hemmungslos gemacht.“ Er war am Tag zuvor in das Methadonprogramm aufgenommen worden und wollte eigentlich feiern. Nachdem die Bewährungshelfer ihm das nicht so recht glaubten, machte sich bei ihm Frust breit und das Ergebnis war die „Tour de Neustadt“.
Die Verteidigerin versuchte Peter Theo als völlig unzurechnungsfähig darzustellen. Peter Theo beschwerte sich sogar: „Ich wurde von der Polizei viel zu früh entlassen! Obwohl ich noch im Rauschzustand gewesen war!“
Doch waren die drei Märztage nicht seine erste Erfahrung mit der Kriminalität und der Polizei. Am 17. Juni 1995 schon war Peter Theo als Beifahrer in einem geklauten Ford Escort in eine Sackgasse geraten und geschnappt worden. Der Fahrer Michael, ein Bekannter aus dem Drogenmilieu, der „groß und blond gewesen ist“, so Peter Theo. Und wahrscheinlich „schwarze Schuhe“ trug, wie der Richter ironisch anmerkte. Auch da sah sich der Angeklagte völlig unschuldig: Er habe nicht gewußt, daß das Auto, in das er da eingestiegen war, in dem Moment geklaut wurde. Was er in der Tat nicht wußte: Der Besitzer beobachtete die Situation aus nur wenigen Metern Entfernung und verfolgte das Duo sofort.
Warum er überhaupt in das Auto eingestiegen war, wollte der Richter natürlich auch wisssen. Für Peter Theo keine Frage: er hatte zwei Tage Hafturlaub, die wären schon eine Stunde zuvor zu Ende gewesen. „Ich mußte schnell zum Blockland, zur JVA – ich war ja überfällig“. „Ich war überfällig“, buchstabiert Richter Gerboth. mic
Prozeß wird fortgesetzt am 24.7., 9 Uhr, Zimmer 551.
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