: Lob der Kupfertrommel
■ Live beim Oldenburger Kultursommer: Das Istanbul Oriental Ensemble begeisterte das Publikum auf dem Schloßplatz
Der Auftritt des Istanbul Oriental Ensemble beim Oldenburger „Kultursommer“ stand unter keinem günstigen Stern. Am Vortag waren den Musikern ihre Instrumente geklaut worden, deshalb fehlte Sahîn Sert, der keinen schnellen Ersatz für seine Kanun (Zither) besorgen konnte. Die verbliebenen fünf Mitglieder der Gruppe mußten auf dem Schloßplatz gegen eine diffuse Akustik mit irritierendem Hall und eine nicht immer kompetente Aussteuerung ankämpfen. Dennoch ließen sich die Musiker um den bekannten Perkussionisten Burhan Öçal nicht unterkriegen. Unverdrossen präsentierten sie unterschiedliche Spielarten türkischer Musik aus der Region um Istanbul: Volkslieder, klassische Stücke und türkische Roma-Melodien.
Besonders bei letzteren fiel auf, daß sie sich phasenweise aus dem typischen orientalischen Modalsystem Makam lösten und deutliche Anklänge an osteuropäische Musik hören ließen. Ferdi Nadaz blies manchmal Melodiebögen auf der Klarinette, die stark an rumänische Panflöten-Linien erinnerten. Auch in Fethi Tekyaygils Soli auf der Geige war die Nähe zu südosteuropäischen Weisen nicht zu überhören. Im Kontrast dazu stand das Spiel Hüseyin Bitmezs auf der Ud, in dem die orientalischen Momente prägend waren.
Für besondere Begeisterung auf dem keineswegs überfüllten Schloßplatz sorgten die virtuosen Einzelgänge von Burhan Öçal auf der Darbuka, der vasenförmigen Kupfertrommel. In atemberaubendem Tempo sausten seine Finger über das Fell, schoben sich verschiedene rhythmische Figuren ineinander, modifizierte er Klanghöhe und -schärfe durch technische Finessen. Furios geriet ihm auch ein Solo mit zwei Tambourins, denen er eine erstaunliche Klangfülle entlockte.
Gegen Ende das Auftritts spielte das Ensemble – zur besonderen Freude der türkischen ZuhörerInnen – auch noch einige populäre türkische Lieder. Die sehnsuchtsvollen Liebeslieder wurden mit leicht brüchigem, mehrstimmigem Gesang vorgetragen.
Für mitteleuropäische Ohren mochten viele Stücke mit ihren orientalischen Skalen und ihren nichttemperierten Intervallen zwar eintönig klingen. Aber dennoch belegte das Konzert des Istanbul Oriental Ensemble die vielfältigen Einflüsse, die sich in der Musik der Region Istanbuls widerspiegeln. Schließlich stellte schon das frühere Konstantinopel eine Schnittstelle von Orient und Okzident dar, an der verschiedene Kulturen aufeinandertrafen. In der Musik der türkischen Roma scheint diese Tradition fortzuleben. Farina
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen