: Für jeden Arbeitslosen einen Ballon
■ 260 Beschäftigte protestieren gegen Aus von Otis-Pankow
So manchem Berliner wird in diesen Tagen ein roter Luftballon vom Himmel entgegenschweben. Die Ballons fordern auf, gegen die Schließung des Otis-Werks in Pankow zu protestieren. Gestern vormittag sprachen sich 260 Beschäftigte bei einer außerordentlichen Betriebsversammlung gegen die Schließung des Aufzug- und Fahrtreppenwerkes zum Ende des Jahres aus. Die Arbeiter blockierten kurzzeitig die Straße vor dem Werk, um die symbolischen 260 Luftballons aufsteigen zu lassen.
Die Geschäftsführung jedoch hält an ihrem Beschluß fest, die Produktion des Pankower Werks an andere Standorte zu verlagern. Nach Angaben von Geschäftsführer Jürgen Reuning hat die Fabrik aufgrund einer „dramatisch verschlechterten“ Auslastung Verluste gemacht. Die Aufzüge sollen künftig im westfälischen Hallenberg hergestellt werden. Die dort angesiedelte Otis-Tochter Hebo Fördertechnik kann laut Betriebsrat Dieter Blaudzun unter Tarif zahlen und so zu niedrigeren Lohnkosten produzieren. Pankow hingegen rentiere sich nicht mehr. Die Geschäftsführung will die Antriebsproduktion nach Tschechien, den Modernisierungsbereich in die Hauptverwaltung nach Borsigwalde verlegen. Reuning machte der Belegschaft das Angebot, 90 Arbeitsplätze für sie in Borsigwalde, Tschechien und Hallenberg bereitzustellen.
„Wer will schon von Berlin weggehen?“ fragt der 51jährige Klaus Wengorra. Der Zuschneider an der Maschine ist schon 32 Jahre im Betrieb. Die Belegschaft sei „niedergeschlagen“. Auch Manfred Foede, stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrates, hat kein Verständnis für die Schließung. Mit bundesweit 4.300 Beschäftigten bleibe Otis im Bereich der schwarzen Zahlen. Rettungsstrategie soll nun ein bundesweiter Verzicht auf das übertarifliche Weihnachtsgeld sein. Geschäftsführer Reuning bezeichnet die dadurch anfallenden fünf Millionen Mark jedoch als unzureichend.
Auch andere Metall-Betriebe in den Ostbezirken Berlins sind von der wirtschaftlichen Rezession betroffen. Der Berliner IG-Metall- Sprecher Klaus Wosilowsky bezeichnet die verbliebene Metallindustrie als „Rumpfgröße“: Von ehemals 118.000 Stellen vor der Wende seien jetzt nur noch 20.000 vorhanden. „Und der Abbau der industriellen Arbeitsplätze ist damit nicht gestoppt.“ Die AEG- TRO schließt bis Jahresende ihr Transformatorenwerk mit 500 Beschäftigten. Die Kabelwerke Oberspree haben im April einen der drei Berliner Produktionsstandorte geschlossen. Nach Informationen des Betriebsrates werden bis Ende Oktober 350 von 1.200 Stellen ersatzlos gestrichen. Auch bei der Elpro Elektro- und Kommunikationsanlagenbau steht ein Abbau um bis zu 40 Jobs bevor.
Die ABB Kraftwerke Berlin will die 250 Entlassungen sozialverträglich gestalten: 80 Beschäftigte werden in ausgegründeten Firmen, 170 bis Ende 1997 in einer Qualifizierungs-Gesellschaft aufgefangen. Isabel Fannrich
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