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Erbakan für Bindung Zyperns ans „Mutterland“

■ Der türkische Ministerpräsident besucht die Insel zum ungünstigen Zeitpunkt

Berlin (taz/rtr) – Heftige Kritik hat ein Besuch des türkischen Ministerpräsidenten und Islamistenführers Necmettin Erbakan im türkisch besetzten Nordteil Zyperns unter griechischen Zyprioten ausgelöst. Der Präsident der Republik Zypern, Glafkos Clerides, wertete die Visite aus Anlaß des 22. Jahrestags des Einmarschs der türkischen Truppen als „offenkundige Herausforderung der griechischen Zyprioten“. Clerides erklärte sich dennoch zu Gesprächen mit den türkischen Zyprioten bereit.

Erbakan war am Samstag zu seiner ersten Auslandsreise nach seinem Amtsantritt nach Zypern gereist. Im türkischen Teil der geteilten Hauptstadt Nikosia sagte er den Inseltürken die weitere politische, wirtschaftliche und militärische Unterstützung des „Mutterlandes“ zu. Das sei eine „nationale Angelegenheit“, bekräftigte er die engen Bindungen seines Landes zur nur von Ankara anerkannten „Türkischen Republik Nordzypern“. Griechenland und die Republik Zypern hatten die Türkei dagegen am Samstag zum Ende der Besetzung Nordzyperns aufgefordert. Dort sind rund 30.000 Soldaten stationiert.

Vergangene Woche hatten die USA eine neue Zypern-Initiative gestartet. Bei Sondierungsgesprächen in Nikosia erreichte die US- amerikanische UN-Botschafterin Madeleine Albright erste Erfolge. Erstmals seit 1974 wollen die Militärbefehlshaber der Republik Zypern und des türkisch besetzten Teils zu einem Gespräch über den Abbau von Spannungen zusammentreffen.

Noch vor einigen Monaten erhoffte man sich in Nikosia von der US-Initiative wahre Wunder. Damals hieß es noch, der Bosnien- Friedenskünstler Richard Holbrooke persönlich werde die Verhandlungen führen. Doch die Initiative wurde wegen des griechisch-türkischen Ägäis-Streits und der Regierungskrisen in Ankara verschoben. Jetzt hält sich der Optimismus in Grenzen. Zu weit klaffen die Vorstellungen auseinander: Während die Republik Zypern und Griechenland die Gründung eines gemeinsamen Bundesstaats mit starker Zentralregierung befürworten, wollen Ankara und die türkischen Zyprioten nur einen lockeren Staatenbund.

Die neuen US-Vorschläge haben nun bei den griechischen Zyprioten für Irritationen gesorgt. Aus diplomatischen Quellen verlautet, daß die USA den geplanten Bundesstaat in Frage stellen. Die zyperntürkische Minderheit soll zwar einen Teil des besetzten Gebiets räumen, zugleich müßte die Republik Zypern aber einem Staatenbund mit den türkischen Nachbarn zustimmen. Dies, so die Befürchtungen in Nikosia, könnte die Besetzung Nordzyperns juristisch legitimieren, an der Teilung aber faktisch nichts ändern.

Gemeinsam könnte die Insel, so die US-Vorstellungen, die EU- Mitgliedschaft erhalten. Die Republik Zypern hat die EU-Mitgliedschaft beantragt. Rauf Denktasch, Führer der Zyperntürken, lehnt eine EU-Teilnahme aber strikt ab und hat schon damit gedroht, daß Nordzypern dann mit der Türkei fusionieren könnte. In Brüssel ist man zwar prinzipiell zur Aufnahme Zyperns bereit, allerdings besteht wenig Interesse, mit der Insel auch gleich den Konflikt mit einzukaufen. klh

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