: Unter enormem Investitionsdruck
Ottensen: Wohnprojekt will Haus und Hof vor Spekulation bewahren ■ Von Ulrike Winkelmann
Ottensen ist hip: Bundesweit werben Fachmagazine für Menschen, die ihr Geld in Immobilien stecken, für den mit Zeise und Mercado gedopten Stadtteil. „Ottensen steht unter einem enormen Investitionsdruck“, erklärt Ulf Spiecker, Gebietsbetreuer der Stadterneuerungsgesellschaft Steg. Man sehe Investoren aus Frankfurt und München durch die Straßen schleichen, die nach leerstehenden Objekten Ausschau hielten.
Die BewohnerInnen der Kleinen Rainstraße 40 befürchten deshalb Schlimmes für den Komplex rings um ihren dreigeschossigen Altbau. „Wer weiß, wer hier als nächstes kommt und das Gebäude luxussanieren will“, sagt Christine, eine der BewohnerInnen. Vier der fünf Mietparteien haben sich nun zu einem Wohnprojekt zusammengeschlossen und wollen die Zukunft des Miet- und Gewerbekomplexes Kleine Rainstraße 40 bis 44 in die eigenen insgesamt 28 Hände nehmen.
Sie erwarten von der Stadt, daß sie in dem Sanierungsgebiet von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch mache und die Gruppe bei ihrem Vorhaben, Haus und Hof stadtteilkulturell und ökologisch bewohn- und nutzbar zu machen, unterstütze.
Die MieterInnen der Kleinen Rainstraße 40 haben allen Grund, jeder Spekulation mit ihrem Haus zu mißtrauen. Der Komplex hat in den vergangenen fünf Jahren vier dubiose Übereignungen mitgemacht. Eigentümer war unter anderem der stadtteilweit als skrupelloser Immobilienhecht bekannte Michael Rauch. Die Wohnung im Erdgeschoß steht leer, seitdem Rauch sie 1991 in Abwesenheit des Mieters ausräumen und unbewohnbar machen ließ. Der Entmietete soll von Schadensersatz bis heute nichts gesehen haben.
Rauchs Nachfolger hat mit der Sanierung des Hauses begonnen und sich finanziell ruiniert. „Seitdem ist man froh, durch das Treppenhaus zu kommen, ohne daß einem Putzbrocken auf den Kopf fallen“, schildert Christine den Zustand nach unvollendeten Bauarbeiten. Eine Gutachterin sei dabei, den bislang auf 1,2 Millionen Mark geschätzten Wert des Komplexes zu ermitteln. Möglicherweise wird er zum Ende des Jahres zwangsversteigert.
Bei einer Zwangsversteigerung, erläutert Bernd Meyer, Sprecher der Stadtentwicklungsbehörde (Steb), verfalle allerdings das Vorkaufsrecht der Stadt. Sollte es vor der Versteigerung zu einem Verkauf kommen, sagt wiederum Steg-Gebietsbetreuer Spiecker, stünden die Chancen für ein Eingreifen der Finanzbehörde „gleich Null“. Da müßte die Gruppe schon selbst ein Angebot machen. Es gehe in der Kleinen Rainstraße „nur um popelige vier oder fünf Wohnungen“ und mangele an Brisanz sowie an sozialem Druck: „Für die Stadt besteht kein Handlungsbedarf.“
Für die Wohngruppe schon: Sie will sich jetzt im Stadtteil bekanntmachen und für ihr Projekt werben. Zu diesem Zweck stellt sie sich morgen, Samstag, ab 12 vor ihre Haustür und lädt die interessierte Ottenser Öffentlichkeit zu Kaffee, Musik, Kuchen und Informationen ein.
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