Durchs Dröhnland: Manchmal toasten sie sogar
■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche
Kurz nach der Wende, dieses Jahrzehnt hatte gerade erst begonnen, setzten ein paar Leipziger ihre bisher unerfüllten Liebe für jamaikanische Musiken in die Tat um. Was da alles zusammenstürzte aus Ska, Reggae und Dub, brauchte einige Jahre um sich zu ordnen. Dann hatten Messer Banzani etwas gefunden, was man inzwischen wohl als ihren Stil bezeichnen kann, und das auf und ab in der ganzen Republik Menschen zum einheitlichen Hüpfen bringt. Aber auch zu Hause: So ist in der Messestadt eine der lebendigsten Reggae-Szenen hierzulande entstanden.
Im Gegensatz zu den meisten Ska-Kapellen aus dem Westen ließen Messer Banzani recht schnell das dumpfe Humpta links liegen und widmeten sich statt dessen dem eher aus der Mode gekommenen Lovers Rock. Die eingängigen Refrains umschmeicheln das Herz, der leicht verzögerte Off-Beat erzählt in aller Unaufdringlichkeit von schwitzigen, faulen Nächten unter Palmen, von bunten Cocktails und komisch geformten Selbstgedrehten. Manchmal toasten sie sogar oder engagieren eine Sängerin, die ihnen ein paar Popmelodien hinsingt, daß man schmelzen möchte. Da ist der Weg zum Dancehall nur mehr ein kurzer. Das alles ist nicht für eine Kaffeebohne innovativ, aber inzwischen auf einem derart hohen Niveau angelangt, daß sich Sachsen durchaus mit der Karibik verwechseln läßt.
Heute, 22 Uhr, BKA-Zelt, an der Philharmonie
Weil sich auch die Engländer in letzter Zeit damit abgefunden haben, daß Pop nun nicht gerade in der nächsten Woche neu erfunden wird und sich statt dessen wieder mal ausführlich auf die Beatles berufen, dürfen sich auch Jackethive fröhlich zu ihren Einflüssen bekennen. Die Berliner listen dabei ein breites Spektrum auf, aber die Sex Pistols und The Who sucht man doch vergeblich. Dafür covern sie „Lady Madonna“, was sicherlich keine sehr originelle Idee ist, aber was soll's? Dies ist sozusagen Pop aus mindestens dritter Hand, aber Eklektizismus war in diesem Genre noch nie hinderlich.
Heute, 23 Uhr, Pfefferberg, Schönhauser Allee 176
Seit eineinhalb Jahren gibt es Die Miesen Tropen, die eine recht durchschnittliche Rockkapelle wären, die im deutschsprachigen Gesang Assoziationen an Baggerfahrer Gundermann wecken und auf der anderen Seite eher leicht verstaubte Grunge-Arrangements bevorzugen. Nicht weiter der Rede wert, würde das Berliner Trio dazu die übliche Gitarre benutzen. Doch anstatt der sechs Saiten klimpert hier eine Mandoline vor sich hin. Das hört sich, wie soll man sagen, halt einfach komisch an. Bassist Prinz Futur, früher einmal bei den Planets, ist da wohl vom Regen in die Traufe gekommen.
Morgen, 21.30 Uhr, Schoko-Laden Mitte, Ackerstraße 169–170
Und weil wir schon mal bei obskuren Besetzungen sind: Das Holz spielen mit zwei Geigen und einem Schlagzeug. Die Berliner um den Christian Komorowski, der sonst gerne bei Deine Lakaien aushilft, spielt ausschließlich Instrumentals, in denen sich ebenso fidel wie unruhig wie sentimental Osteuropäisches breit macht. Die Dreadful Shadows bieten dazu Kontrastprogramm mit ihrem Dark Rock, der gemütlich dahingrummelt wie vor zehn Jahren, als die Sisters of Mercy sogar in den Diskotheken regierten. Außerdem noch dabei bei diesem kleinen Festival sind Sepulcrum Mentis, Avatar und Die verbrannten Kinder Evas. Und trotz der etwas obskuren Zusammenstellung – an einem sonnigen Tag ist die Insel sowieso einen Besuch wert. Und wo sonst finden schon Open Airs statt, die trotzdem heimelige Clubatmosphäre bieten?
Morgen, 16 Uhr, Insel, Alt-Treptow 6
Bei Patti Smith durfte man immer das Gefühl haben, daß da auf der Bühne kein Popstar stand, sondern eine Person, die als Musikerin und Dichterin 1:1 sich selbst offenbarte. Und als sie Ende der 80er sich genau dieser schmerzhaften Authentizität verschließen wollte, dann tat sie das eben nicht im künstlerischen Ausdruck, sondern zog sich samt Ehemann, Fred „Sonic“ Smith, vormals bei der Detroiter Prä-Punk-Legende MC5, gleich ganz zurück. Angekündigt worden war der Rückzug in den Songs von „Wave“, der letzten LP der Patti Smith Band. Und nun, nachdem die eher ruhigen Familienjahre und musikalisch recht unproduktiven mit dem Tod von Smith zu Ende gegangen sind, braucht es eine neue Platte, um das zu verarbeiten. Außerdem kehrt Patti Smith zum ersten Mal seit langer Zeit wieder dahin zurück, wo sie ihren Ruf begründet hat – auf die Bühne.
Nun ist nicht zu erwarten, daß es Wiederaufführungen jener Junkie-Dramen aus den 70ern zu bestaunen geben wird, aber musikalisch unterscheidet sich „Gone Again“ kaum von ihren letzten Äußerungen. Der treibende Titelsong würde sich auch neben „Because the Night“ nicht schlecht machen. Und der Rest ist zwar durchgängig etwas gemütlicher, schon auch mal tragisch und elegisch, aber schließlich gleicht dies hier nun mal eher einem Tagebuch als dem Versuch, zeitgemäße Musik zu machen.
Auch personell schließen sich die Kreise, haben doch zwei Viertel ihrer alten Band auch die neue Platte mit eingespielt und John Cale, der 1975 ihr Debut-Album „Horses“ produzierte, ein paar Tasten gedrückt. Die Jahrzehnte sind vergangen, an Patti Smith sind sie recht spurlos vorbei gegangen. Was davon zu halten ist, darf jeder selbst entscheiden.
30. 7., 20 Uhr, Tempodrom, In den Zelten
Gleich am nächsten Tag folgt der Gegenentwurf. Tina Turner stellte immer nur dar, was zuerst andere, dann scheinbar sie selbst sich vorgab. Im Dienst von Ehemann Ike gab sie die Sünde auf zwei ellenlangen Beinen, nach der Trennung von dem Mißhandler schöpfte sie, so schien es zumindest, sich selbst neu als Prototyp der selbstbewußten Frau, die gerade durch ihr Frausein zum Erfolg kommt.
Tatsächlich stand hinter der zweiten und ungleich erfolgreicheren Karriere ihr australischer Manager Roger Davies. Eigentlich blieb sie ihr ganzes Leben immer formbar und ging in ihren Rollen auf. Die interpretierte sie allerdings ebenso souverän wie die Songs, die ihr zuerst Ike (das selbst komponierte „Nutbush City Limits“ steht da recht einsam) und später prominente Lohnschreiber verfaßten.
1.-4.8., 20 Uhr, Waldbühne, Glockenturmstraße Thomas Winkler
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