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Burundis neue Herren sind die ganz alten. Die Armeeführung setzt sich durch und bringt den früheren Tutsi-Präsidenten Pierre Buyoya, der die letzten Wahlen vor drei Jahren verlor, per Militärputsch an die Macht zurück Von Dominic Johnson

Vertrauen auf die Macht der Gewehre

Burundis Tutsi sind wieder unter sich. Der Hutu-Staatspräsident Sylvestre Ntibantunganya ist gestürzt, die politischen Parteien und das Parlament sind aufgelöst. Jean Minani, Führer der Hutu-dominierten Partei „Frodebu“, zu der Ntibantunganya gehört, ist bereits im Exil in Kenia; weitere Frodebu- Politiker haben sich in ausländische Botschaften in Bujumbura geflüchtet. In der deutschen Botschaft sitzen zum Beispiel der Außenminister, der Parlamentspräsident und mehrere Abgeordnete. An ihrer Stelle übernimmt dieselbe kleine Elite, die schon in den langen Jahrzehnten der Militärdiktatur vor 1993 herrschte, wieder die Macht in Burundi.

Noch am frühen Nachmittag hatte Burundis Armeeführung einen Putsch dementiert. „Wenn die Armee putschen wollte, hätte sie es längst getan“, behauptete Armeesprecher Longin Minani und erklärte, man habe nichts gegen Ntibantunganya als Präsidenten. Da hatten Soldaten aber bereits alle wichtigen Punkte der Hauptstadt Bujumbura und die staatliche Rundfunk- und Fernsehanstalt besetzt. Sie schickten die Tutsi-Milizionäre nach Hause, die noch am Morgen wieder demonstrierend durch die Straßen gezogen waren. Dann kam die Mitteilung: Der neue Präsident ist Pierre Buyoya, der schon einmal 1987 per Putsch die Macht ergriff und bis 1993 regierte, als er freie Wahlen verlor.

Mit Buyoyas Niederlage hatte sich die burundische Tutsi-Militärelite nie abgefunden. Tutsi-Soldaten töteten seinen gewählten Nachfolger Melchior Ndadaye vier Monate nach der Wahl und erzwangen im Folgejahr die Bildung einer gemischten Regierung. Aber auch die Tage dieser Hutu-Tutsi- Regierung galten schon lange als gezählt. Das Machtteilungsabkommen von 1994, laut dem Hutu- und Tutsi-Parteien gemeinsam regieren, wurde schon längst von keiner wesentlichen Kraft mehr unterstützt. Die Realität in Burundi besteht aus dem Bürgerkrieg zwischen der Armee und den Hutu- Rebellen, die aus Zaire heraus operieren. Über 150.000 Menschen sind bei den Kämpfen seit 1993 ums Leben gekommen. Die Armee befindet sich in der Defensive, seit die Rebellen auch im Süden des Landes angreifen, der traditionellen Bastion der Tutsi-Militärelite.

Der Krieg eskalierte weiter, nachdem die Regierung am 25. Juni diesen Jahres bei einem ostafrikanischen Gipfeltreffen eine afrikanische Eingreiftruppe guthieß. Radikale Tutsi forderten seitdem fast täglich auf Kundgebungen in der Hauptstadt den Sturz des Präsidenten. Ein Massaker nahe Gitega am vergangenen Samstag, bei dem über 300 Tutsi- Zivilisten starben, diente dazu, die Agitation noch weiter auf die Spitze zu treiben: Auf einen Tutsi- Generalstreik folgte am Dienstag eine emotionale Trauerfeier, bei der der Staatschef mit Steinen beworfen wurde. Am Tag danach ließ die Tutsi-Partei „Uprona“ die Regierungskoalition platzen und lieferte damit der Armee den Vorwand, zwecks Abwehr eines „Machtvakuums“ einen neuen Staatschef einzusetzen.

Buyoyas Aufstieg ist jedoch auch Signal eines Machtkampfes unter den Tutsi. Neben Buyoya hat sich zuletzt noch ein anderer Ex- Präsident hervorgetan: Jean-Baptiste Bagaza, Buyoyas Vorgänger als Präsident zwischen 1972 und 1987 und in dieser Zeit verantwortlich für einige der schlimmsten Massaker an Hutu in Burundi. Er hat in letzter Zeit des öfteren zum Putsch aufgerufen, während Buyoya sich zurückhielt. „Buyoya hat die Unterstützung des Verteidigungsministers Firmin Sinyohibeza und der höheren Offiziere“, sagt Jerôme Ndiho, Sprecher der Hutu-Rebellenbewegung CNDD. „Bagaza hat wenig Freunde unter den höheren Offizieren – die haben ihn ja schließlich 1987 ins Exil geschickt. Dagegen ist er in den mittleren Rängen sehr beliebt, er kontrolliert die Milizen und die politische Opposition.“

Nach dieser Einschätzung wäre der Buyoya-Putsch ein Versuch der Armeeführung, gegen die in letzter Zeit immer stärker auftretenden Tutsi-Extremisten vorzugehen und das Heft wieder in die Hand zu nehmen. Anders als die Bagaza-treuen Milizen aus jungen Tutsi, die in den letzten Wochen durch Bujumbura marschiert sind, weiß die Militärführung, daß sie außerhalb der Hauptstadt und den wichtigen Straßen das Land kaum noch kontrolliert. Um eine ausländische Intervention zu vermeiden, die ihre Macht weiter schmälern würde, muß sie sich einer weiteren Radikalisierung der Tutsi entgegenstellen und zugleich die Krise der letzten Wochen beenden.

Doch diese Rechnung könnte nicht aufgehen. Von den USA bis Deutschland haben viele Länder klargemacht, daß keine burundische Regierung mit Unterstützung rechnen kann, die durch Gewalt an die Macht gekommen ist. Und ein Ende des Bürgerkriegs rückt durch den Militärputsch eher in noch weitere Ferne.

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