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„Alles, was Blut garantiert“

Unerwünschte Mitbewohner, Teil 1: Flöhe, Bettwanzen und Wespen – friedliche Koexistenz oder chemische Keule?  ■ Von Vera Stadie

Kleine Ursache, verheerende Wirkung: Ein einziges legebereites oder begattetes Flohweibchen in der Wohnung kann reichlich Ärger machen. Vier bis sechs Wochen nach der Eiablage schlüpft der Nachwuchs – und „nimmt erstmal alles, was ihm Blut garantiert“, warnt Dr. Udo Sellenschlo. Der Zoologe ist beim Hygieneinstitut der Gesundheitsbehörde für die Schädlingsbekämpfung zuständig.

Wenn Hunde- oder Katzenflöhe kein Tier finden, fallen sie den nächstbesten Menschen an. Flohstiche sind schmerzhaft und jucken tagelang. Durch intensives Staub-saugen wird man die Flöhe und ihren Nachwuchs, die sich am liebsten in Teppichen und Fußbodenritzen und auf Polstermöbeln aufhalten, wieder los.

Unerwünschte Mitbewohner sind auch Bettwanzen, in unseren Breiten eher seltene Gäste. Hin und wieder bringen Urlauber sie als blinde Passagiere im Reisegepäck mit nach Hause. Und da können sie sich im Schlafzimmer prächtig entwickeln. „Gestern war ich gerade in zwei verwanzten Wohnungen“, berichtet Sellenschlo und zeigt seine Beute, die er wohlverpackt in einem kleinen Glas gefangenhält: Die fünf bis acht Millimeter langen Tiere sind rotbraun, platt und behaart. Tagsüber leben sie in Ritzen von Parkettfußböden und Holzdecken, in Matratzen, hinter elektrischen Leitungen oder Bildern. „Die Bettwanze geht nur zu nächtlicher Stunde zur Nahrungsaufnahme zu ihrem Blutspender und zieht sich dann wieder in ihre Tagesverstecke zurück“, erklärt Sellenschlo. Sein Hausbesuch galt zwei Wohnungen auf dem gleichen Stockwerk. „Da sind nicht nur die Leute zerstochen, sondern auch die Haustiere zur Ader gelassen worden.“ In diesem Fall käme man um eine chemische Bekämpfung nicht herum, sagt der Schädlingskenner, aber ansonsten könne man auf die chemische Keule oft verzichten.

Zum Beispiel, wenn es sich um Wespen handelt. Die schwarz-gelb gestreiften Insekten mit der schlanken Taille bauen ihre Nester gerne auf Dachböden. Jedes Jahr im Spätsommer rufen bei Sellenschlo besorgte HamburgerInnen an, bei denen sich Wespen eingenistet haben. „Die Beseitigung eines Wespennestes durch einen gewerblichen Schädlingsbekämpfer kostet 300 bis 400 Mark“, erzählt Sellenschlo. Die Frage sei, ob das notwendig ist. Der Zoologe meint, man müsse vorm Zubeißen nur aufpassen, daß keine Wespe auf dem Pflaumenkuchen sitzt. „Solange Sie die Wespen da oben in Ruhe lassen, werden die auch nicht von sich aus zum Angriff übergehen.“

Auch andere sechs- oder achtbeinige Tiere haben jetzt Hochsaison. Bevor man zuschlägt, sollte man zwischen Freund und Feind unterscheiden. Die langbeinigen Weberknechte an der Zimmerdecke, Spinnen und Marienkäfer sind nützliche Schädlingsbekämpfer. Und Stechmücken sind zwar lästig, aber nicht unbedingt gesundheitsschädlich. Nur wenige Insekten in der Wohnung sind wie die Bettwanzen echte Schädlinge.

Bevor man sie wirkungsvoll bekämpfen kann, muß man sie kennen. Viele Ungezieferarten sind für den Laien nur schwer zu identifizieren. HamburgerInnen können sich in Zweifelsfällen an das Hygieneinstitut wenden (Adresse siehe unten). Meistens erkennt Sellenschlo die Übeltäter auf den ersten Blick: “Selten muß ich passen, dann dauert es mal zwei, drei Tage.“ Wer sich mit seinen kleinen Mitbewohnern nicht auf den Weg nach Rothenburgsort machen will, kann sie auch per Post schicken. „Bruchsicher verpackt“, mahnt der Insektenkundler. Sellenschlo empfiehlt zur Schädlings-Verschickung eine Film- oder Tablettendose und einen wattierten Umschlag.

Im Hygieneinstitut erfahren Sie auch, wie Sie unliebsame Gäste am besten loswerden. Nur auf Verdacht mit Insektiziden zu spritzen, bringt oft nichts oder schadet nicht nur dem Ungeziefer. Die meisten Schädlungsbekämpfungsmittel enthalten hochgiftige chemische Substanzen, deren Einsatz vor allem in Wohnräumen bedenklich ist. Sellenschlo empfiehlt, vor dem Einsatz von Insektiziden in der Wohnung in jedem Fall die Packungsbeilage genau durchzulesen. Oft sei es besser, „wenn das ein Sachkundiger macht, als wenn man nachher selbst neben der leeren Dose liegt.“

Nach der Gefahrstoffverordnung müssen gewerbsmäßige Schädlingsbekämpfer neuerdings staatlich geprüft und „sachkundig“ sein. Lassen Sie nur einen Kammerjäger in Ihre Wohnung, der sich durch ein Zeugnis der Industrie- und Handelskammer ausweisen kann.

Bei Fragen zu Schädlingen im Haushalt kann man sich wenden an: Dr. Udo Sellenschlo, Hygieneinstitut, Großmannstraße 10, 20539 Hamburg,

Morgen der zweite Teil:

Motten, Schaben & Co.

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