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Voraneilende Romantik - betr.: Schreuf-Kritik am Peter-Sempel-Film "Dandy", taz vom 25.7.1996

Betr.: Schreuf-Kritik am Peter-Sempel-Film „Dandy“, taz hh v. 25.7.96

Vor vielen Jahren, als Nick Cave und die Neubauten künstlerisch noch maßgebend waren, gehörte es förmlich zum guten Ton, einen Film wie Sempels Dandy zu dissen: Zu liebedienerisch schien der Film unseren in Erfolg sterbenden Idolen entgegenzukommen, und zu angreifbar war er in seiner der Zeit weit voraneilenden Romantik und Naivität.

Heute spielt das alles keine Rolle mehr. Cave, Bargeld und Hagen etc. sind irgendwelche Schausteller in einem mutigen und experimentierfreudigen Film, der es wert ist, ohne die Klappen zeitlicher Zusammenhänge nochmal gesehen zu werden.

Der Vorwurf der Albernheit und Stümperhaftigkeit aus der Feder eines Schreuf muß mich doch sehr wundern, sind doch diese beiden bewundernswerten Fähigkeiten die Haupteigenschaften seiner eigenen Machwerke.

Tobias Gruben, Hamburg

Betr.: s. o.

Eigentlich ist K. Schreuf ein ganz guter, intelligenter Schreiber, aber meinen Film Dandy als „stümperhaft“ zu bezeichnen, sagt mir, daß sein Kinoauge wohl eher „gestümpert“ hat. Weltweit gilt Dandy als „independent Kultfilm“ (immerhin über 100.000 Zuschauer mit einer Kopie Ä35 mmÜ) und gerade bis gestern waren drei Abende im 3001 in HH ausvkft (sic, d.S.), die Zuschauer zeigten höchste Aufmerksamkeit – es war mucksmäuschenstill, volle 90 min (und nicht nur wegen der Besetzung). Und ausgerechnet die taz macht sich lustig – der gute Kristof... hat öfters Konzentrationsprobleme: Einfachste Infoarbeit mißlingt: Ich hatte betont, daß mein „neuester“ Film Jonas in the Desert nicht im Kino, sondern im Möbelladen in der Sternstraße 66 „Wohnkultur 66“ gezeigt wird (16 mm) (und Ihr schreibt 3001...), also echt! Ich hätte es 1000mal lieber, man würde sich ernsthafter mit meinen Filmen auseinandersetzen, dann hätte K.S. nie auf „Pudels-Niveau“ geschrieben.

PS.: Mit Nina Hagen zu filmen ist wahrlich kein Urlaub – mein neues Doku-Projekt ist das Schwierigste, das man sich vorstellen kann, obwohl (...) der Titel lautet: Die Liebe ist ein Fliegender Teppich.

PPS.: Ich bin kein Bohémien, sondern ein Filmpoesiearbeiter und sicherlich kein „geistiger Onkel vom Golden Pudel“, dort wo sich die lustigen Punkhippyuppies treffen.

(PPPS.: Ein Film über mich ist nicht notwendig, denn den mache ich schon seit 15 Jahren...)

Jonas Mekas in der Wüste: die Idee der independent Film-, Kunst- und Menschenwelt – personifiziert.

1000 sonniggge Grüssse

Euer alter Fan Peter Sempel

(anbei: wieder xtra Infos)

Es ist schon unglaublich, wie wichtig sich Künstler nehmen; und dann schreiben sie auch noch unleserlich... Der Setzer

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