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Der Barbier von Bebra (4)

■ Von Wiglaf Droste und Gerhard Henschel

Was bisher geschah: Jürgen Fuchs ist rasiert und sulfriniert worden. Kommissarin Güzel eilt nach Berlin zurück.

In der Zentrale der Berliner Mordkommission war dicke Luft. „Jetzt sind es schon drei!“ rief Hauptkommissar Hunter und winkte Gisela Güzel in sein Büro. „Heute morgen. Gauck- Behörde. Irgend so 'n Dichter. Rasiert, onduliert und in Shampoo ertränkt. Hier ist die Hölle los! Der Innensenator steht mir auf den Schuhen. Und der kriegt Schimpfe aus Bonn. Die haben uns eine Sonderkommission aufs Auge gedrückt.“

„SoKo Gillette?“ fragte Gisela Güzel.

„Vorsichtig, Mädchen.“ Kommissar Hunter faßte sie scharf ins Auge. „Ihre spitze Zunge bricht Ihnen noch einmal das Genick.“

„Ja, bin ich denn ein anatomisches Wunder?“ sagte Gisela Güzel und lachte.

„Ich warne Sie! Sie sind zwar schon nach Berlin strafversetzt worden, aber glauben Sie mir, es gibt in diesem Land noch ganz andere Löcher. Und im finstersten davon werden wir alle enden, wenn wir den Mörder nicht bald haben.“ Flackernd paternosterte sein Blick an ihrem Körper auf und ab. „In Nordhausen war's ja wohl Essig. Mit dem Phantombild können wir auch zur Kartoffelernte gehen.“

Gisela Güzel zuckte mit den Schultern. „Wenn Sie die Zeugen gesehen hätten, wüßten Sie, warum. Die hatten Tomaten auf den Augen und den Finger im Hintern.“

„Das erklären Sie mal der SoKo. In zehn Minuten ist Stunksitzung.“

*

Rainer Eppelmann sah auf die Uhr. Zehn Minuten über die Zeit. Der Erpresser hatte ihn für zwölf Uhr mittags bestellt, und Eppelmann war pünktlich vor Ort gewesen, an einem Baggersee vor den Toren Münchens.

Der Pfarrer schwitzte.

Da saß er nun mutterseelenallein auf einer Betonröhre, trommelte mit den Fingern auf seinem Geldköfferchen und wartete in der prallen Sonne auf den Erpresser mit der Akte. Aber vorläufig waren nur rostige Planierraupen, Mischmaschinen und Förderbänder zu sehen.

Für Eppelmanns Sitzriesenlaufbahn im Bundestag bedeutete diese Akte eine ungeheure Gefahr. Auch der Traum des Pfarrers, sich auf seine alten Tage noch vom Hinterbänkler zum Nato-Generalsekretär zu mausern, stand auf dem Spiel. Gerade jetzt, wo Deutschlands Pflugscharen endlich wieder weltweit eingesetzt werden konnten!

Aber vor allem durfte Evi nichts davon erfahren, dachte er und schabte sich über den Bart. Es war unendlich schwer gewesen, nach der Scheidung wieder ein Stück Vertrautheit und Nähe herzustellen. Er hatte versucht, diesen Staat menschlicher und wärmer zu machen, und was war der Dank gewesen? Evi hatte sich scheiden lassen. Erst nachdem er unvorstellbar klebrige Intimbriefe an Evi gerichtet und veröffentlicht hatte, war sie bereit gewesen, sich mit ihm auszusöhnen in der Wohnküche, bei Kamillentee und Kadarka. Die Kinder hatten in der Küchentür gestanden und gebetet, und am Ende hatte die Familie unter Tränen beschlossen, gemeinsam ein neues Deutschland gestalten zu wollen, abgerüstet und friedlich, mit friedensfähigen Menschen, die ihre Nachbarn nicht mehr bedrohten. Damals hatte Abrüstung stattgefunden, Abrüstung in den Köpfen und Herzen, und es war auch Scham vermittelt worden, ganz deutlich!

Dem Pfarrer schlug das Herz bis zum Hals. Die Schande, die Schande! Wenn alles aufkäme, würde er untertauchen und sich regelmäßig rasieren müssen. Das war doch kein Leben.

Nichts mehr aufarbeiten dürfen! Vom Kanzler verstoßen, von Evi verlassen und in einen menschlichen Riß geschubst – eine schreckliche Vision. Er, Pfarrer Eppelmann, wollte lieber noch ein ordentliches Stück Wendeweg zurücklegen. Und endlich die Akte haben.

Fortsetzung folgt

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