: Der Barbier von Bebra (6)
■ Von Wiglaf Droste und Gerhard Henschel
Was bisher geschah: Rainer Eppelmann hat sich zu einem Fußbad in einer Zinkwanne mit flüssigem Beton entschlossen.
Die Kommissarin kicherte. Da platzte jemand zur Tür herein. „Sitzen Sie auf Ihren Ohren? Würd' ich auch mal gerne tun“, rief Mirko Pril, ein Kriminalpraktikant, der sie seit Wochen aggressiv beseppelte. „Dienstgespräch auf Leitung drei! Sie sollten endlich mal rangehen.“
Er feixte. „In jeder Beziehung...“
Sie klappte ihren Comic zu und legte ihn zur Seite.
Das Telefon schroll weiter.
Die Kommissarin sah den Praktikanten an. „Zieh Leine, du Cocktailwürstchen“, sagte sie, „und versprich Mama, ihr nie wieder auf die Eierstöcke zu gehen.“ Der Praktikant verschwand fast schneller, als die Polizei erlaubte.
Gisela Güzel nahm ab. „Kindertagesstätte Berlin-Mitte. Sie wünschen?“
„Machen Sie keine Witze“, heulte es aus dem Hörer. „Hier ist Inspektor Harry Klein von der Mordkommission München. Ich muß dringend Kommissarin Güzel sprechen!“
„Am Apparat.“
„Frau Güzel? Mir fällt ein Stein vom Herzen. Ich stehe hier an einem Baggersee vor den Toren Münchens. Und ich kann Ihnen vielleicht sagen, ein grausiger Fund!“
„Ach ja?“
„Sie suchen doch diesen Bartmörder. Ich glaube, er hat wieder zugeschlagen. Wir haben einen Ostdeutschen geborgen, Bart ab und Beton an den Füßen. Laut Ausweis ein gewisser Rainer Eppelmann.“
„Sieh an, sieh an, Herr Eppelmann. Wann ist das passiert?“
„Das wissen wir noch nicht. Bleiben Sie mal kurz dran.“
Die Kommissarin hörte den Inspektor rufen: „Seid doch mal still, ihr Mehlmützen! Ich arbeite hier noch!“ Dann war er wieder in der Leitung. „Entschuldigung, die Kollegen feiern schon den Fang. Ein Pilzsucher hat das Opfer heute morgen um fünf Uhr entdeckt. Sie wissen ja, der frühe Vogel fängt den Wurm! Es guckte nur die Glatze raus, und der Mann hat gedacht, er hätte einen besonders seltenen Pilz gefunden, laut Protokoll einen, Moment, Hygrophoropsis olida, zu deutsch Duftender Afterleistling, oder einen Cortinarius varius, also einen Semmelbraunen Schleimkopf, und der Pilzheini hat versucht, das Ding mit einem Stöckchen aus dem See zu ziehen, aber das ging natürlich nicht, und da ist er splitternackt ins Wasser und hat mal richtig nachgeguckt, obwohl hier FKK verboten ist, na ja, der Stefan ist immer noch dabei, ihm das Nacktbaden zu verleiden.“
„Welcher Stefan?“
„Stefan Derrick natürlich. Mein Chef! Der mit dem Gürtel!“
Im Hintergrund war ein saftiges Klatschen zu hören, wieder und wieder.
„Was machen Sie da eigentlich?“ fragte die Kommissarin.
„Stefan“, hörte sie den Inspektor zischen, „mach doch mal halblang, ich hab diese Kripomaus aus Berlin an der Strippe! Sorry, Frau Güzel.“ Er sprach wieder normal. „Was wir hier machen, ist folgendes. Wir faxen Ihnen alle Unterlagen zu, und wenn Sie können, kommen Sie doch auf dem schnellsten Wege her. Ihr Ruf hat uns ja schon erreicht. Wir brauchen Sie!“
„Ich weiß, ich weiß. Als Kripomaus. Aber ich komme trotzdem. Mit der nächsten Maschine. Hol doch schon mal den Wagen, Harry.“
*
Das Fax aus München nahm kein Ende. Die Papierschlange wand sich über den Korridor, vorbei am Letscho-Automaten und am Schwarzen Brett mit den Urlaubskarten aus Chemnitz, lief über eine schabbelige Vitrine mit Pokalen und Siegerurkunden der Polizeisynchronschwimmabteilung und bog dann rechts ab in ein Büro, bauschte und türmte sich auf einem Schreibtisch und endete in den kräftigen Händen von Kommissar Hunter. Hinter ihm stand Gisela Güzel.
Fortsetzung folgt
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