: Tante Käthes Buben besiegt
■ Werder gewinnt den Elfer-Krimi / von Gastkommentator Walter Langlott
Denn sehet, Euch winkt ein Pokal, wenn Ihr nur immer mit dem Glücke des Tüchtigen im Bunde seid (L. Matthäus 19,96).
Das war wirklich nicht berauschend, was Werder am Sonntagabend im Weserstadion gegen Tante Käthes Buben aus Leverkusen geboten hat. Aber spannend war's. Und völlig verrückt. Auch spielerisch schwache Partien können manchmal sehr unterhaltsam sein. Und die Hauptsache ist schließlich: Werder ist weiter. In der nächsten Runde des DFB-Pokals. Und auch noch gegen den VFB Oldenburg, den Fußballzwerg von nebenan. Das könnte wieder ein Fußballkrimi werden wie gegen Leverkusen. Denn die Oldenburger werden sich sicher mächtig ins Zeug legen gegen den grünweißen Riesen aus Bremen. Und bei denen läuft im Augenblick noch nicht sehr viel zusammen. Aber: Kämpferisch war im Spiel gegen die Werkstruppe des Pillenmultis Bayer Leverkusen schon alles vom Feinsten. Zumindest die Moral des SV Werder ist bereits bundesliga-tauglich. Mit zehn Mann gegen die spielerisch stärkeren Leverkusener und gegen den schwachen Schiedsrichter Heynemann (der hat uns 1995 schon die Meisterschaft geklaut) gewonnen und auch noch die Nerven behalten zu haben im Elfmeterschießen: Respekt! Aber ansonsten sind die angepeilten UEFA-Cup-Plätze noch Lichtjahre entfernt. Den „Wesertigers“ aus Hopsten den „Reepshold-Supporters“ oder dem Anhänger-Klub der Buten-Bremer „bot sich über weite Strecken ein ziemlich planloses Gekicke. Und so wäre es wohl auch bis zum Schlußpfiff geblieben, wenn nicht der gelbsüchtige Schiedsrichter Heynemann für reichlich Farbe im Spiel gesorgt hätte! In der 41. Minute zeigte er - bei 24 Grad (?) - dem einzigen brauchbaren Stürmer Bruno Labbadia nach einem Foulspiel die verdiente rote Karte. Als er dann auch noch Minuten später ein reguläres Tor des ansonsten schwachen Europameisters Marco Bode (Wo sind die schönen Locken?) nicht anerkannte, war endlich Stimmung im Weserstadion. Im Gegensatz zu Willi Lemke, der „sprachlos vor Zorn“ war, pfiffen die 11.860 Zuschauer nun alles zusammen, was kein Werder-Trikot trug. Typische Pokalatmosphäre nennt sich das! Und das Thermometer zeigte 24 Grad.
In der 2. Halbzeit wurde dann auch das Spiel immer hitziger. Die Leverkusener brachten Oliver Reck mit satten Schüssen aus der Distanz immer häufiger ins Schwitzen. Aber Olli hielt seinen Kasten sauber. Dann kam die 90. Minute: Heynemann pfiff Elfmeter für Leverkusen. Bode hatte den Ball mit der Hand berührt. Alles schien verloren. Doch der Holländer Erik Meijer setzte, den sicheren Sieg vor Augen, den Ball nur gegen die Latte. Verlängerung!
Noch mal Glück gehabt! Obwohl es inzwischen kühler geworden war, ließ sich auch das Stadionthermometer von der hitzigen Stimmung anstecken und zeigte weiterhin 24 Grad an, als wollte es sagen: Weiter so! Und es ging weiter: 92. Minute: 1:0 für Leverkusen. „Wir fahren nach Oldenburg“, jubelte der spärliche Anhang von Bayer schon voreilig. Dann die bittere Pille für Bayer Leverkusen: 103. Minute: Elfmeter für Werder, der zwar keiner war, aber Cardoso verwandelte ihn trotzdem zum 1:1. 105. Minute: Wladimir Bestschaastnych spielt im Eifer des Gefechts den Ball erstmals zum eigenen Mann! Das gab Werder zusätzlich Auftrieb. Zumal Olli einfach alles hielt, was nach einem Ball aussah im Strafraum. Dann die Entscheidung: Elfmeterschießen- Dramatik live. Sowas gibt's leider nur im Pokal. Doch auf Olli war erneut Verlaß. Er hielt den Ball des Unglücksraben Christian Wörns und ausgerechnet Wladi verwandelte den 5. Elfer zum 6:4 Endstand. Geschafft!
Genervt, aber glücklich wankte der Anhang des SV Werder nach Hause und die Journalisten zur Pressekonferenz, die erstmals durch das neue Fan TV (gar nicht schlecht!!!) auch live im Stadion zu sehen war. Gute Idee!
Dort bemängelte dann Werder- Trainer Dixie Dörner verärgert „die schlechte Staffelung seiner Mannschaft im Mittelfeld“. Sein Leverkusener Kollege Christoph Daum stellte fest: „Wir haben uns selbst geschlagen.“ Und das war's. Über ein erregtes „Fachgespräch“ an der Außenlinie mit unserem getreuen Kalli Kamp wurde das Mäntelchen der Vergebung gehüllt.
Der einstige Lautsprecher der Bundesliga, der erstmals seit seiner Rückkehr vom Bosporus wieder auf der unsicheren Bank eines Bundesliga-Vereins saß, hatte sich wieder abgeregt. Dank „Taxofit“ (?). Von den Türken scheint er aber zumindest den Mut zur bunten Krawatte übernommen zu haben, während Dixie (Döner?) eher sportlich oben ohne war. Fehlte eigentlich nur einer: Tante Käthe alias Rudi Völler, der neue Team-Manager von Bayer Leverkusen. Doch der alternde, eisgraue Wolf mied die Tiefe des Presse-Raumes. Wahrscheinlich sind ihm die steilen Höhenzüge seiner neuen Artgenossen in den Chefetagen inzwischen lieber. Schade eigentlich.
Walter Langlott, Moderator der Sendung „Journal am Morgen“ bei Bremen 2
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen