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Nur partiell verstanden

■ betr.: „Lieben ohne Neid auf Schwänze“, taz vom 27. 8. 96

[...] Die andauernde Berichterstattung über lesbische Literatur und Lebensweisen zeichnet die taz vor anderen Zeitungen aus. Die originellen Bilder („Die mit den größeren Schuhen ist der Mann“) haben ebenso wie einzelne Artikel, wie zum Beispiel der über sadomasochistische Lesbengemeinschaften, bereits als Anschauungsmaterial gedient, wenn wir Untersuchungen aus dem Bereich der LGB (Lesbian-Gay-Bisexual) Studies diskutierten.

Deshalb ist auch die Besprechung des neuesten Buches von Teresa de Lauretis durch Stefanie Castendyk auf sehr großes Interesse gestoßen, in das sich jedoch schnell Erstaunen mischte, da die Autorin die kritische Auseinandersetzung von de Lauretis mit Freud, Deutsch, Lacan und Kristeva anscheinend nur partiell verstanden hat. Es ist sicher richtig, daß sich de Lauretis der traditionellen Terminologie der Psychoanalyse bedient; sie pathologisiert damit aber keineswegs erneut die psychosexuelle Entwicklung des lesbischen Mädchens. Im Gegenteil: Sie zeigt, daß erst die Bewertung des ödipalen Szenariums als „normal“ und „notwendig“ zu einer Pathologisierung anderer Entwicklungen führt. Dies ist Castendyk offenbar entgangen, denn sonst würde sie nicht de Lauretis „andere Szene“ als „viel furchtbarer – und sicher auch um einiges pathogener“ bezeichnen. Während nämlich die heterosexuelle Frau im ödipalen Dreieck ihren Status als begehrendes Subjekt verlieren muß, um sexuiertes Objekt des Vaters zu werden (und nicht wie Castendyk meint, um den Vater als Objekt zu begehren), kann die lesbische Frau ihr Begehren auf den Körper einer anderen Frau richten und sich der Reduzierung auf den Objektstatus entziehen.

De Lauretis hätte eine intelligentere und sachkundigere Kritik verdient. Grundsätzlich in Frage zu stellen wäre zum Beispiel die Konstruktion einer authentischen, sexuellen Identität, die sich unabhängig von gesellschaftlichen Prozessen und Bedürfnissen entwickelt. Aus einer sozialhistorisch-gesellschaftspolitischen Perspektive (Rosemary Hennessy, Elisabeth Grosz) erweist sich dieses Denken einem bürgerlichen Freiheits- und Subjektsbegriff verpflichtet, der keineswegs in allen sozialen Schichten verwirklicht werden kann. Es wäre durchaus interessant, entsprechende Arbeiten ebenfalls einmal in der taz vorzustellen. Kerstin Helmkamp,

Kerstin Schmitt, Berlin

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