: Natas
Die Lürikerin, Frau Hütlein, ist oft an mein' Stand, weil: Die Einfälle zu ihre anspruchsvolle Gedichte komm' ihr meist spätabends, nache letzte Tagesschau, und da muß sie natürlich zusehn, wie sie die restliche Zeit rumbringt. Ihre großen Vorbilder sind ja Frau Allert-Wiebranitz und Frau Hahn. Die eine von' Tiefsinn und vonne Auflagen her, wo sie fast mit an den Kohlege Wickert ranreicht, und die annere hat sogar –n Spitzenpolitiker mit ihre Lürik hüppnotesiert und anschließend dauerhaft verführt.
Aber bei Frau Hütlein klappt das nicht so recht, und so hat se sich bei den „Institut für Parapsüchologie und esoterische Grenzwissenschaften“ für –ne Umschulung angemeldet, denn dies Gebiet vonne Dienstleistung' buumt ja gewaltig und gibt das ein' Mega-Bedarf an parapsüchologische Eso-Terapeuten. Jedenfalls, kommt die Hütlein heute schon ziemlich früh an mein' Kiosk und erzählt total aufgekitzelt: „Steh ich doch gestern abend vor dem großen Standspiegel in meinem abgedunkelten Schlafzimmer, habe die drei schwarzen Kerzen angezündet, die ,Urian'-Kassette gedrückt, auf der Rex Gildo das ,Ave Maria' singt, halte das Kruzifix verkehrt herum in den Spiegel ...“ „Und was soll das?“ frag ich. „Das ist eine Übung, um mit Hilfe des Fürsten der Finsternis jemanden zu liquidie... auszuschalten. Das Gesicht der betreffenden Person zeigt sich dann unmittelbar vor ihrem Ableben im Spiegel.“
Naja, konnt ich mir natürlich denken, wen sie ausschalten wollte, nämlich den Berber, der bei ihr, von' Sozialamt aus, in Untermiete wohnt, der sich sowas von breitmacht in unse soziale Hängematte! Und wenn er sich nicht grade besäuft oder sein' Brand unter ziemliche Geruchsentwicklung auspennt, sich neue Klamotten bein Roten Kreuz abgreift oder sich bei de Himmelsgäng oder bei ,Herz As' de Wampe mitte feinste Delekatessen vollstopft. Sie dagegen rackert sich mit ihre Lürik ab und fluppt von eine Umschulung inne nächste!
„Also“, sagt sie denn auch, „ich denke gerade an den bewußten Herrn, rufe dreimal den Namen NATAS...“ (das ist SATAN von hinten!) „...da erscheint im Spiegel tatsächlich die Visage von diesem ... Zeitgenossen! Er stand zwar leibhaftig hinter mir, hatte sich, ohne anzuklopfen, ins Zimmer geschlichen und meinte, er wollte nicht stören und ob ich ihm mit etwas Pulverkaffee aushelfen könne ... aber ich mache mir jetzt doch meine Gedanken ... denn mir fiel dieser Zeitungsartikel ein, wonach der Senat beabsichtige, alle Randständigen aus der City zu entfernen ... vielleicht ja auch aus den Wohnungen ... und so etwas wird durch engagierte Esoteriker ermöglicht ...“ „Naja“, sag ich, „,entfernen' muß ja nicht bedeuten, daß diese Leute ...“
Wie auch immer: Man soll sich doch vorsehn mit sonne Praktiken. Denn was man vielleicht bloß als geistiges Experement gedacht hat: Der Senat nutzt das sofort aus und setzt das inne Praxis um! Und das ist auch viel umweltfreundlicher und UNAUFFÄLLIGER als de Entsorgung mit zun Beispiel Scheiterhaufen.
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