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Mutter Theresa am Millerntor

■ St. Pauli: Aufstieg nach armseligem 0:0 gegen Saarbrücken verspielt? Von Rainer Schäfer

In den Bierhallen St. Paulis ist der Aufstieg des heimischen Fußball-Clubs in die erste Bundesliga längst beschlossene Sache. Ungeniert wird die Erstklassigkeit gefeiert und gerülpst – ungeachtet der Tatsache, daß die Maslo-Eleven zuletzt lust- und mutlos über die Fußballwiesen der 2. Liga schlichen. Trainer Uli Maslo bekleidet gerne die Rolle des Warners, der seiner Equipe die Reife für die Eliteklasse abspricht. Zurecht.

Der wackere Mahner Maslo hat die Defizite seines Teams längst erkannt: Nicht die durchtrainierten Spieler-Körper, sondern der Geist ist limitierender Faktor der Aufstiegshoffnungen. „Das hat mit Fußball nichts zu tun, das sind Dinge, die sich im Kopf abspielen.“ Also sind es nur Gerüchte, die besagen, Fußball wird hauptsächlich mit den Füßen (sic!) gespielt? Mitnichten, aber eine gewisse „Befindlichkeit“ (Botho Strauß) möchte Maslo auch seiner Elf zugestehen. Jedenfalls konnten seine hochdotierten Kicker zuletzt „mental“ (Familie Matthäus) nicht mit dem Aufstiegsdruck umgehen. Aber alles sollte sich noch harmonisch fügen: Die braunen Kurzhosen traten nach der 2:3-Pleite in Chemnitz zum Schwur zusammen: „Wir werden uns wieder wehren.“

Die Luft war bewegt, die Erwartungen hoch: Die neue Wehrhaftigkeit sollten die Fußballer aus Saarbrücken zu „spüren“ (Frau Drombusch) bekommen. Diese wiederum demonstrierten am Millerntor, daß man nicht zwingend 800 Kilometer weit fahren und unverrichteter Dinge heimkehren muß. Taktisch diszipliniert verdienten sie sich einen Punkt.

Die indisponierten Gastgeber begnügten sich damit, zehn Minuten ordentlich Ballsport zu betreiben, dann wirkte die Truppe wie gelähmt: Der mentale Druck hatte wieder gegen die Schwurworte obsiegt. Großchancen wurden leichtfertig von Dirk Dammann (23.), Jürgen Gronau (24.) und Jens Scharping (58.) vergeben, ansonsten kreiselte das Leder wirkungsarm durchs Mittelfeld. 0:0, zehn Minuten guter Fußball – zu wenig für den Aufstieg. So zählt der FC St. Pauli weiter zur Graumasse der Liga.

Was aber kann der eingefleischte Pauli-Fan tun, wenn es gar nicht klappen will mit der ersten Liga? Da wäre die Möglichkeit, in die nächstgelegene Bierhalle zu gehen und ungeachtet der „bösen Realität“ (Mutter Theresa von Kalkutta) den Aufstieg zu begießen. Oder am Computer den größtmöglichen Erfolg simulieren: Einfach rein in die Menüleiste und „Aufstieg, Aufstieg“ anklicken, was die graue Maus hergibt.

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