: Trio der Enttäuschten
■ Beim ersten Einzelzeitfahren der Spanien-Radrundfahrt wird heute der Angriff des Miguel Indurain erwartet
Berlin (taz) – „Das Ende des Trainings“, verkündete die spanische Zeitung El Pais deutlich erleichtert, nachdem neun Etappen der Spanien-Rundfahrt durch den sonnigen Süden des Landes absolviert waren. Gestern durften sich die Fahrer einen Tag lang ausruhen, heute wird es beim ersten Einzelzeitfahren der Vuelta endlich ernst. Die 46 Kilometer zwischen El Tiemblo und Ávila werden das Gesamtklassement, das derzeit noch vom Italiener Fabio Baldato angeführt wird, kräftig durchschütteln, und vorn werden am Ende jene drei Fahrer erwartet, denen der Sieg bei dieser Rundfahrt noch zugetraut wird: Vorjahressieger Laurent Jalabert, Miguel Induráin und Alex Zülle – die großen Enttäuschten der Tour de France.
Induráin, von Banesto ganz im Gegensatz zu sonstigen Gepflogenheiten in diesem Team zur Teilnahme gezwungen, hatte den Grad seiner Ambitionen von den Erfahrungen der ersten Tage abhängig machen wollen. Der geruhsame Verlauf der Flachetappen, die den Sprintern, allen voran Nicola Minali (drei Etappensiege) und Baldato (2), reichlich Gelegenheit gaben, sich in Szene zu setzen, kam dem Spanier entgegen. Viel Sonne, kein Regen, wenig Wind, idealer kann es für Induráin kaum kommen. Zwar verlor er während der 4. Etappe 37 Sekunden auf Jalabert, als die Straße wegen eines Massensturzes kurzzeitig blockiert war, und büßte weitere Sekunden ein, weil er sich im Gegensatz zu dem auf Rang drei liegenden Franzosen nicht an den Bonifikationssprints beteiligte, aber die 1:14 Minuten, welche die beiden trennen, sollten für einen Induráin in Topform kein großes Problem sein.
Und in guter Form, so behauptet der Baske, befände er sich. Für Fahrer, die, wie etwa Tony Rominger, der schon auf der 3. Etappe sieben Minuten verlor, die Vuelta als reine Vorbereitung für die WM in Lugano betrachten, hat Induráin wenig Verständnis. „Wenn man die Vuelta nicht in Topform bestreitet“, sagt er, „frißt sie einen auf.“ Er jedenfalls versuche, jedes Rennen voll zu fahren, „schon allein, um danach einen guten Geschmack im Mund zu haben“.
Ob er selbst bei der WM antreten wird, läßt er ebenso offen, wie die Frage, ob er noch ein Jahr als Profi dranhängt, und wenn ja, bei welchem Team. Der Start in Lugano hänge davon ab, wie er bei der Vuelta zurechtkomme, über den Start bei der Tour de France 1997 will er Ende der Saison befinden. Daß sein Team in diesem Fall noch Banesto heißen wird, darf bezweifelt werden, denn Induráins Groll über die Nominierung für die Spanien-Rundfahrt gegen seinen Willen sitzt tief. Er mag auch nicht gelten lassen, daß er damit den Radsportfans in Spanien einen Gefallen tue. „Ich glaube, daß ich ihnen schon genug Grund zur Zufriedenheit gegeben habe.“
Laurent Jalabert war bei der Tour de France als größte Hoffnung seiner Landsleute gestartet, mußte jedoch sogar aufgeben und ist fest entschlossen, sich in Spanien wenigstens ein kleines Trostpflaster zu ergattern. „Ich möchte allen, die an mir gezweifelt haben, zeigen, daß ich noch lebe“, sagt der Franzose und hofft, daß sich beim Zeitfahren und in den Bergen von Asturien und den Pyrenäen die Aussage von Induráins Chef José Miguel Echávarri bewahrheitet: „Eine Minute bei der Vuelta ist wie drei Minuten bei der Tour. Es gibt wenig Möglichkeiten zum Aufholen.“ Matti Lieske
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