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Unterm Strich

Frankreichs Weinaristokratie hat Zuwachs bekommen. Wie dpa-Korrespondent Ralf E. Krüger meldet, fand unmittelbar vor Beginn der bereits als „verheißungsvoll“ eingestuften Traubenlese auf den Hängen von Frankreichs ältester und renommiertester Weinstadt Saint-Emilion das denkwürdige Ereignis statt: Erstmals in der gut 40jährigen Geschichte des Klassements für die Größten unter den großen Weinen gelang es dort einem Newcomer, neu ins Adelsregister der „Premiers Grand Crus Classes“ aufgenommen zu werden. Nur 11 der 900 Weingüter von Saint-Emilion sind auf dieser prestigeträchtigen Topliste der roten Spitzenweine zu finden – seit neuestem nun auch das „Chateau L'Angelus“. Die Liste der „Grand Cru“- Weine wurde dagegen von 63 auf 55 Mitglieder reduziert. Neun Weingüter wurden herabgestuft, eins hatte sich gar nicht erst erneut beworben, vier weitere – die Güter „Cadet Bon“, „La Couspaude“, „Grandes Murailles“ und „Laroque“ – wurden neu aufgenommen. Zwar fand damit die Revolution im Weinberg noch nicht statt – doch die Branche ist in aufgekratzter Stimmung. Eine Herabstufung macht sich immerhin mit einem Wertverlust von bis zu 30 Prozent beim Preis bemerkbar – und der Verkaufspreis eines Weinguts kann sich dadurch sogar halbieren.

Die Branche dagegen sieht die Dynamik bestätigt, die die Überprüfung der Liste als Orientierungsrahmen für den Konsumenten mit sich bringen sollte. Denn im Gegensatz zu den Winzern des Medoc, deren 1855 aufgestellte Liste keine Überprüfungen kennt, können sich Saint-Emilions Winzer nicht auf ihren Lorbeeren ausruhen. Das sieht auch Hubert de Boüard (40) so, der sich seit 1980 gemeinsam mit dem Cousin Jean-Bernard Grenie die Leitung des Prestige-Weinguts „L'Angelus“ teilt: „Nun gilt es, das Erreichte abzusichern“, meint er. Bevor Boüard sich seinem Weinberg widmen konnte, mußte er erst einmal „fünf Jahre Familiendiplomatie betreiben“. Um familiären Erbfolgeproblemen aus dem Weg zu gehen, übergab er seinem Cousin die Verwaltung, während er selbst für das Produkt sowie dessen Vermarktung sorgt. Beide stellen bereits die dritte Generation auf dem Weingut dar, dessen Name laut Legende auf einen Ort zurückgeht, an dem man gleich von drei benachbarten Kirchen die zum Angelus-Gebet läutenden Glocken hören konnte. Die Rebstöcke auf dem 26,5 Hektar großen Anbaugebiet in bester Südhanglage haben ein Alter von im Schnitt 30 Jahren.

Hubert de Boüard hat seinen Erfolg gemeinsam mit seinem Freund und Nachbarn Gerard Becot vom „Chateau Beau-Sejour Becot“ gefeiert, dessen umstrittene Herabstufung zum „Grand Cru“ von vor zehn Jahren nun wieder aufgehoben wurde. Zur Feier des Tages stießen beide jedoch nicht mit edlem Rebsaft aus Saint-Emilion an, sondern mit perlendem Schaumwein aus der Champagne.

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